Montag, 10. Juli 2017

:)Rezension:): The Sign #2

Grundwissen:



Titel: The Sign - Die Wahrheit kommt ans Licht (original: Truth)
Autor/-in: Julia Karr
Erschienen: 2015 im cbt-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 413 Seiten ohne Danksagung
Preis: 8, 99 € (Taschenbuch) [Quelle: amazon.de]
Genre: Young Adult; Dystopia




Inhalt:



Grandpa hielt mit der Wahrheit nie hinter dem Berg, mein Dad hatte in seinen Debatten stets die Wahrheit verfochten, und meine Mutter hatte die Wahrheit aufgedeckt ... war ich diejenige aus der Familie der Oberons, die die Wahrheit einfach nur laut aussprechen musste? - Nina Oberon (S. 68)




Seit Nina das ominöse XVI-Tattoo an ihrem sechzehnten Geburtstag bekommen hat, ist sie umso mehr gegen die Medien und die Regierung. Denn durch die Zusammenarbeit der beiden wird das Bild einer patriarchalischen, anti-feministischen Gesellschaft, in der Frauen mit diesem Tattoo als Freiwild gelten, gefördert. Gemeinsam mit ihrer Freundin Wei möchte sie sich der Schwesternschaft anschließen, einer rebellischen Gruppe, die durch ihren Piratensender gegen diese Regierung protestieren will. Doch ihr Freund Sal, der selbst ein Kämpfer für die Gleichberechtigung ist, ist strikt dagegen. Und als wären das schon nicht genug Steine im Weg des Mädchens, gerät es mit ihrer Schwester auch noch in Gefahr, ohne Wohnung dazustehen, da ihr Grandpa verhaftet wurde und ihre Großmutter wegen eines Anfalls im Krankenhaus liegt.




Meine Meinung ...




zum Cover:





Deutsches Cover: ♥♥.♥
Originalcover: ♥♥


















Es dürfte wohl wenige Ausgaben geben, die sich in verschiedenen Sprachen so sehr voneinander unterscheiden wie die von The Sign.
Das deutsche Cover sieht nämlich eher aus wie ein Fantasy-Buch mit einem Touch Mystery und hat somit so ziemlich nichts mit der Handlung zu tun. Es gibt noch nicht mal eine Szene, die im Wald spielt und die diese Aufmachung legitimieren könnte. Zu Band 1 passen tut es natürlich trotzdem und vom ästhetischen Gesichtspunkt her ist die Aufmachung definitiv schön. Und auch der Untertitel könnte während des Lesens nicht mehr in das Hirn des Lesers eingeprügelt werden.
Das Original wirkt dagegen nichtssagend und fast schon bieder. Zwar passt das Muster auf dem Cover zu dem vorherigen originalen Band, allerdings kann man sonst wenig damit anfangen. Auch wenn der Titel hier ebenfalls passt. Zumindest in der Theorie ...




zum Buch:




The Sign: Nur zu deiner Sicherheit ist vor sechs Jahren erschienen, gerade dann, als die Dystopie-Welle den Markt überflutete. Doch trotz seiner provokanten Themen ist das Buch ziemlich untergegangen, und dieser zweite Teil umso mehr. Sicherlich trägt dazu auch bei, dass man vier Jahre auf dieses Sequel warten musste, ebenso wie der dritte Teil dieser Reihe noch nicht einmal erschienen ist. Julia Karr lässt sich also sehr viel Zeit mit ihrer Geschichte, jedoch nicht aus dem gleichen Grund, aus dem sich ein George R. R. Martin mit seiner Game of Thrones Reihe Zeit lässt - denn statt sich wirklich ein konsistentes System zu überlegen und zu plotten hat die Autorin hier nur eine einzige große Baustelle erschaffen. Eine Baustelle, die einen an vielen Stellen entweder langweilt oder vor Wut kochen lässt.
Denn die Idee einer anti-feministischen Gesellschaft dürfte vor allem in heutiger Zeit, wo einige ,,Feministen'' sich eher für eine Überhöhung der Frauen einsetzen als eine Gleichstellung mit dem männlichen Geschlecht kämpfen, ziemlich polarisieren. Man könnte sich sehr viel dazu einfallen lassen, wie es zu dieser Situation kommt, auf wie vielen Ebenen die Unterdrückung der Frau vonstatten geht, man könnte sehr brutale Szenen dazu verfassen. Kurz gefasst: man hätte eine tolle Geschichte daraus machen können, die sich gegen Sexismus und für die Gleichstellung der Geschlechter einsetzt. Das wird umso ersichtlicher, wenn man merkt, dass die Autorin die zwielichtige Zusammenarbeit zwischen Medien und Regierung im Ansatz zeigen will. Doch von diesem Potential wurde nichts genutzt, obwohl es in Band 1 - zumindest von meiner Perspektive von vor einigen Jahren - ein paar schöne Ansätze gibt.
Diese Ansätze beziehen sich vor allem auf die Grundidee der Medien als vierte Gewalt in dieser Welt. Natürlich verzichtet die Autorin darauf, dem Leser die anderen zu präsentieren, immerhin gibt es doch Wichtigeres als ein solides World-Building, aber der Einfall an sich ist nicht schlecht. Es wird angerissen, wie sie Informationen so verpacken, wie es für ihre Ausrichtung passt, und wie skrupellos sie dabei vorgehen können. Auch ihre Rolle in der Pubertät von Jugendlichen lässt sich nicht bestreiten, denn auch heutzutage werden Frauen oft auf ihr Sexappeal beschränkt und jungen Mädchen in solchen Zeitschriften wie der Bravo beigebracht, wie sie einen Jungen verführen können. Von daher ist die Idee ja gar nicht so weit hergeholt, dass man irgendwann zu sexuellem Freiwild erklärt werden könnte - immerhin war das vor einigen hundert Jahren genauso, nur hat man da den Mädchen nicht eingetrichtert, wie lasziv sie sich zu räkeln oder wie sexy sie sich zu kleiden haben. Ein ebenso netter Einfall ist, dass die Non-Kons - so werden die Rebellen genannt - durch Piratensender und Videomontagen die Medien quasi mit ihren eigenen Waffen schlagen wollen.
Doch das war es auch schon mit den positiven Punkten des Buches, denn mehr als diese Ansätze hat Julia Karr nicht in The Sign: Die Wahrheit kommt ans Licht nicht eingebunden. Allerdings ist das auch kein Wunder, wenn man selbst ständig hin- und her gerissen ist zwischen sexistischem und feministischem Gedankengut ist. Natürlich ist Nina noch jung und hat sowieso eine recht dämonisierte Vorstellung von Sex, aber es kann doch nicht sein, dass sie sich gegen die Regierung stellt, obwohl sie Mädchen in knappen Kleidern genauso als Sex-Teens verurteilt, wie die Medien es ihr immer beigebracht haben. Wenn sie sich ihrer eigenen Vorurteile wenigstens bewusst wäre, wäre das ja noch ein netter Konflikt gewesen, aber sie ist der festen Überzeugung, durch ihre Mutter dieser Hirnwäsche entronnen zu sein. Doppelmoral ist das, nichts weiter. Das spiegelt sich nicht nur in Ninas Ansichten wieder, sondern auch in denen ihres Freundes Sal, der selbst ein Non-Kon ist und somit für eine Gleichberechtigung der Geschlechter steht. Und trotzdem lässt er seine Freundin nichts tun, weil er ihr das nicht zutraut. Was für ein Haufen Mist soll das denn sein? Geschweige denn, dass es eine männliche und eine weibliche Rebellengruppe gibt - wenn die wirklich dahinterstünden, das System zu stürzen, dann würden sich Männer und Frauen zusammentun statt die jeweils andere Gruppe nicht mal in die Planung mit einzubeziehen und komplett unabhängig voneinander zu agieren. Rebellen, die selbst total indoktriniert sind von der Propaganda des Feindes - so was liest man doch eher selten.
Was man aber leider häufig liest und auch in diesem Buch antrifft, ist Slut-Shaming. Dabei sollte ein Buch, das eine Gesellschaft zeigt, in der Frauen unterdrückt und sexuell genötigt werden, genau das nicht haben. Trotzdem kann man die Figuren dabei beobachten, wie sie vor allem Paulette für ihren ,,provokanten'' Kleidungsstil und ihre wohlhabende Herkunft anfeinden, obwohl sie noch diejenige ist, die am logischsten in diesem Buch handelt. Warum muss ein hübsches und reiches Mädchen automatisch als Schlampe betitelt werden? Warum muss man infragestellen, dass sie sich in ihrer Rolle als Rebell durchaus ernstnimmt und hinter ihren Idealen steht? Warum wird sie auf ihr Aussehen reduziert, vor allem von Nina, die selbst nicht auf ihre ärmlichen Verhältnisse reduziert werden möchte? Warum werden generell immer sofort diejenigen angefeindet, die eine angebliche Bedrohung für die eigene Beziehung darstellen? Das regt einen einfach nur auf und zeigt, dass die Autorin den moralischen Zeigefinger erheben will, obwohl sie selbst eine fragwürdige Moral hat. Dieser ständige Widerspruch in sich ist einfach nur frustrierend und anstrengend.
Und er bezieht sich nicht nur auf die Einstellungen der Charaktere, sondern auch auf diese angebliche frauenfeindliche Welt. Denn wem begegnet Nina innerhalb des Buches meistens im Bereich der Polizei oder des Rechts? Frauen! Wie sollte das möglich sein in einer Zukunft, wo Frauen nicht als stark angesehen werden? Zu wem wird sie in der Schule gerufen? Zur Schuldirektorin! Warum sollte eine Frau - dazu noch eine im Rollstuhl - eine Führungsposition innehaben? Wie schrecklich inkonsequent kann man denn bei seinem eigenen Konzept werden?!
Nicht nur in der Rolle der Frau vergisst Julia Karr ihre Idee, sie macht es sich handlungstechnisch immer sehr einfach. Chicago soll so gut verkabelt sein, immerhin will man die Rebellen auftreiben und wegsperren, aber wann immer Nina sich mit der Schwesternschaft oder den männlichen Non-Kons unterhält, ist überraschenderweise ein Funkloch da, damit sie ungestört und offen reden können. Und das geschieht ohne jede Ausnahme. Wie überzeugend, dass nie Komplikationen auftreten und die Rebellen deswegen nie Probleme haben, sich über ihre Pläne zu unterhalten. Wäre ja auch zu kompliziert gewesen, eine Geheimsprache zu entwickeln oder spezielle Zeichen oder so was. Machen wir es uns schön einfach und langweilig.
Genau so kann man auch das gesamte Buch beschreiben: langweilig. Das liegt nicht mal unbedingt an der Handlung, immerhin bereitet die Autorin durch die Haft des Großvaters und den Krankenhausaufenthalt der Großmutter ein großes Familiendrama vor. Doch in Richtung Rebellion oder Umsturz des Systems, Richtung Taktik und Kampf, lässt sich kaum etwas in diesem Buch finden. Obwohl die Autorin sich so lange Zeit gelassen hat, dieses Sequel zu schreiben. Und diese Lustlosigkeit spürt man auf jeder einzelnen Seite. Trotz der Existenzschwierigkeiten Ninas und ihrer kleinen Schwester, trotz eines ungerechten Systems - nichts davon kann den Leser auch nur ansatzweise packen, berühren oder sonst etwas in ihm auslösen. Man liest Kapitel um Kapitel, nur um sofort zu vergessen, was eigentlich passiert ist, weil einem alles so herzlich egal ist. Der Schreibstil ist dazu einfach zu flach, Charaktere ändern manchmal absatzweise um 180 Grad ihre Meinung, selbst Gefühle zwischen einzelnen Figuren kann man nicht spüren. Es hat kein Leben, keine Substanz, nichts, was einen dazu bringen könnte, diese Geschichte mit den Charakteren zu erleben. Man merkt, dass die Autorin die Geschichte einfach nur geschrieben hat, um sie endlich zu schreiben, nicht weil sie wirklich dahintersteht und ihr etwas an ihr liegt.
Gegen Ende versucht Julia Karr zwar Spannung aufzubauen, zugegebenermaßen nicht unbedingt mit einem schlechten Motiv. Jedoch wird das wieder dadurch ausgeglichen, dass die Charaktere - allen voran die Protagonistin - sich dumm wie Stroh verhalten und auch das Ende keinerlei Sinn ergibt. Letztlich bestätigt es nur, dass die Autorin ihre eigene Geschichte und die Hintergründe dazu nicht begreift und sich irgendetwas aus den Fingern gesogen hat.



Alles in allem nahezu eine vollkommene Katastrophe von einem Buch, obwohl das Thema wahnsinnig viel Potential hat. In den Ansätzen von Ansätzen erkennt man auch, dass die Autorin sich dessen bewusst ist, aber von Zeit zu Zeit den Moralapostel zu spielen, nur um kurz darauf selbst sexistische Äußerungen zu treffen, macht das zunichte. Vor allem bei so einem sensiblen Thema wie sexuellem Missbrauch und Unterdrückung eines Geschlechts darf man solche Phrasen einfach nicht von sich geben. Daher funktioniert auch die gesamte Idee mit den Rebellen nicht, denn warum gegen das System wenden, wenn man ihm selbst glaubt? Abgesehen davon ist die Welt auch recht unstrukturiert, eine ziemlich lange Zeit passiert nichts Relevantes, und durch die flachen Gedankengänge, sehr kurzen Sätze und die holprigen Übergänge kann man nicht eine Minute lang mit irgendjemandem hier drin mitfühlen. Insbesondere wenn die Charaktere sich so blauäugig verhalten und auch abgesehen davon kaum Charaktere genannt werden können. Überhaupt nicht zu empfehlen; ich überlege sogar, die Reihe abzubrechen. Es gibt definitiv bessere Dystopien, und sicherlich auch Besseres zum Thema Geschlechterrollen und Feminismus!




Ich gebe dem Buch:



♥.♥ Herzchen



Extra:



Der dritte Teil dieser Reihe soll angeblich noch dieses Jahr auf Englisch rauskommen - allerdings ist weder ein Titel bekannt noch ein Cover. Also ob das was wird ...


CU
Sana

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