Sonntag, 19. November 2017

:)Rezension:): Dark Web

Grundwissen:



Titel♥: Dark Web - Wenn alles umsonst ist, bist du der Preis
Autor/-in♥: Veit Etzold
Erschienen♥: Februar 2017 im Droemer-Knaur-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl♥: 558 Seiten ohne Nachwort und Leseprobe eines anderen seiner Romane
Preis♥: 9, 99 € (Kindle Edition); 9, 99 € (Taschenbuch) [Quelle: amazon.de]
Genre♥: Cyberthriller; Krimi; Adult




Quelle: © Droemer Knaur Verlag





Inhalt:



Was zur Hölle passierte hier eigentlich gerade? - S. 450




Oliver Winter ist ein Daytrader, dessen Berufswahl ein ziemlich großer Fehler war. Denn er verliert eine ganze Menge Geld und hat Angst, seine teure Penthouse-Wohnung nicht mehr bezahlen zu können. Doch statt seinen Kopf anzuschalten und es beim nächsten Mal einfach besser zu machen, lässt er sich von seinem ewig im Bademantel gekleideten Freund Marc verführen, ins illegale Drogengeschäft einzusteigen. Gemeinsam gründen sie die Drogenplattform Narcobay, die im teuflischen Dark Web innerhalb eines Monats so an Popularität gewinnt, dass die russische Mafia auf sie aufmerksam wird. Nebenher arbeitet Jasmin Walters nonstop als BKA-Angestellte, ohne jemals etwas Aktives zu tun. Doch dieser Passivität möchte sie ein Ende setzen, als ihr das neue Google Europas - ,,Holos'' - zwielichtig erscheint.





Meine Meinung ...




zum Buch:





Betrachtet man die Biographie des Autors, so stellt man fest, dass er viel in seinem Leben erreicht hat. Nicht nur ist er Dozent für Geopolitik, auch arbeitet er als Berater beim Auswärtigen Amt und hat sich sonstwie international engagiert. Ein Mann also, der ein Thema wie das Dark Web und welche Konsequenzen das Internet allgemein für die Menschen hat gut und intelligent umsetzen könnte. Es schaffen könnte zu zeigen, wie spannend und vielschichtig Transparenz, Politik und Vernetzung sein können, insbesondere in einem Raum des WWW, der nicht für alle zugänglich ist und sich durch seine Anonymität auszeichnet. Wie könnte man dies bezweifeln, wenn Veit Etzold sogar recht erfolgreich in der Thriller- und Krimisparte ist?
Dark Web ist aber ein gigantischer Misserfolg und von vorne bis hinten eine literarische Katastrophe. Und da Herr Etzold in dieser Aneinanderreihung von belanglosen Szenen wahnsinnig gerne doppelt und dreifach selbst das Offensichtlichste erklärt, möchte man ihm als Leser natürlich diesen Gefallen erwidern. Auch wenn dies genauso überfordernd ist wie der Autor es mit Sicherheit von seiner Grundidee gewesen ist.
Das sieht man insbesondere am Aufbau und der Struktur des Buches, die einfach inexistent ist. Statt echter Kapitel bekommt der Leser nur halbherzig ausgearbeitete Szenen vorgeworfen, die so zerstückelt sind, dass man ihre Relevanz überhaupt nicht einordnen kann. Man blickt in diesen 1-10-seitigen Kapiteln sehr vielen Figuren über die Schulter, die anfangs überhaupt nicht miteinander verbunden sind. Verschiedene Standorte und auch Zeitangaben verstärken nur den Eindruck, als hätte Etzold ein Drehbuch geschrieben statt eines waschechten Romans. In diesen Kapiteln zeigt er auch, wie gut er darin ist, alles nach dem Schema F ablaufen zu lassen: Das Setting wird ausführlich mit innerhalb von zwei Minuten ergoogelten Wikipedia-Informationen, das später nie wieder notwendig ist, beschrieben. Sobald Etzold all seine Notizen zu Gebäude X und Platz Y eingefügt hat, haben die handelnden Figuren zwei Möglichkeiten:
a) Sie denken über irgendeine Belanglosigkeit nach, die weiteres Wikipedia-Wissen des Autors bereithält und starren aus einem Fenster.
b) Sie unterhalten sich miteinander auf Reisen oder im Büro über weiteres Wikipedia-Wissen des Autors, während sie wahlweise Kaffee oder Wodka trinken, je nachdem, ob man es gerade mit Russen oder Deutschen und/oder Männern oder Frauen zu tun hat. Dabei fallen häufig Filmzitate oder Binsenweisheiten aus dem Jahreskalender, den man seiner Großmutter zu Weihnachten schenkt.
Gemeinsam haben diese beiden Optionen allerdings, dass sie dem Leser dieselbe Frage eröffnen: Wozu war das jetzt gut?
Höchstwahrscheinlich nur dazu, dass Etzold sein unendliches Expertenwissen darstellen und all seine Recherche einbringen konnte. Egal ob es die Handlung weiterbringt oder nicht, egal ob es Figuren zu Strichmännchen macht, die statt Dialogen nur Fakten wie aus einem Unnützes-Wissen-Buch runterrasseln können, all die zeitintensiven Mühen müssen ja eingebracht werden. Dies wäre auch prinzipiell nicht schlecht gewesen, da historisches oder politisches Wissen bei einem komplexen Thema durchaus Tiefe geben können, allerdings unter der Voraussetzung des literarischen Feingefühls, damit es sich wie in einem Puzzle natürlich zusammenfügt. Etzold hingegen bedient sich dazu eher eines Klopfholzes. Ein Werkzeug, das im Tischler- und Zimmerhandwerk zusammen mit dem Stemmeisen verwendet wird, falls euer Vokabular nicht so ausgeprägt sein sollte.
Dies ist ein weiterer Faktor, der Dark Web unerträglich zu lesen macht. Nicht nur, dass sich Rechtschreib- und insbesondere Grammatikfehler häufen, auch schreibt der Autor wahnsinnig unsympathisch. Wie bereits angedeutet, kann er keinerlei Varianz in seiner Art zu erzählen schaffen, was immer anstrengender wird je mehr man merkt, dass er eigentlich auch keine Geschichte erzählt. Diese ist bestenfalls sekundär. Wichtiger ist ihm zu zeigen, wie intelligent er und wie dumm der Leser ist. Es ist ein komplexes Thema, ja, jedoch erklärt er wirklich alles, selbst das, was selbsterklärend sein sollte. Oder ist es nicht etwa übertrieben anzunehmen, dass der Durchschnittsleser sich nicht erschließen kann, was Assasination Network bedeutet? Braucht man dazu eine konkrete Übersetzung? Und benötigt man wirklich einen Erzähler, der einem vorrechnet, dass ein Megabyte tausend Kilobyte sind, und tausend Megabyte ein Gigabyte? Ebenso traut er es einem nicht zu, Symboliken oder Anspielungen zu erkennen, handle es sich dabei um Zitate von Filmen wie Matrix oder eine Finanzfirma mit dem Namen Leviathan, die natürlich nur böse sein kann. Ein kleines bisschen weniger Selbstlob für diese ,,Genialität'' und etwas mehr Vertrauen gegenüber dem Leser hätten da gutgetan, immerhin ist weniger häufig mehr. Das gilt ganz besonders für Wissen, das für das Verstehen der Handlung überhaupt nicht notwendig ist.
Diese Vorliebe fürs Erklären findet sich auch darin wieder, dass die erste Hälfte des Buches eigentlich komplett hätte gestrichen werden können. Darin geschehen nämlich Dinge, die gegen Ende von Intelligenzbestie Jasmin Walters und ihrem zynischen Kollegen Veit Et-, ich meine natürlich Roland Ressler aufgedeckt und dem Leser als ganz große Entdeckungen verkauft werden, obwohl man zuvor hautnah bei diesen relevanten Gesprächen, Entscheidungen, Handlungen etc. dabei war. Überraschungsfaktor also gleich null, was nur als Schuss ins eigene Knie bezeichnet werden kann bei all der Langeweile, die in diesem Buch herrscht. Denn ja, obwohl die Russenmafia hier als brandgefährlich und grausam dargestellt wird, auch von den verschiedenen Foltermethoden erzählt wird - sehen tut man davon nichts. Selbst das Haustier des Anführers der Mafia, ein Tiefseeanglerfisch, hat innerhalb der Handlung mehr Lebewesen getötet als Vlad, der plakative ,,Pfähler''.
Die anderen Figuren, wenn man sie als solche bezeichnen will, sind nicht besser. Selbst mit dem Dramatis Personae zu Beginn von Dark Web findet man sich in den Köpfen der Personen nicht zurecht, denn sie denken alle gleich und haben durch ihre Rolle als Expositionsmaschine nicht eine einzige Charaktereigenschaft. Symbolisch dafür steht die Auflistung der Figuren selbst, in der sie nur durch ihren Beruf definiert werden. In einem anderen Rahmen lernt man diese nämlich nicht kennen. Ressler besitzt zwar einen ganz netten Ansatz, jedoch wird dieser nicht einmal angerissen, erklärt weder seine Handlungen noch seine Aussagen. Auch alle anderen Figuren sind flacher als eine Flunder, zu rund achtzig Prozent des Buches über nur passiv und höchstens dazu da, sich in miesen Dialogen Bälle zuzuspielen, damit Etzold wieder den Erklärbären machen kann, was zwar schon erwähnt wurde, jedoch gibt es nie genug Wiederholungen. Diese Spielbälle bestehen meistens aus den dümmsten Nachfragen überhaupt. Diese Aufgabe, diese zu stellen, fällt vermeintlichem Protagonisten Oliver Winter zu, der sich einzig durch seine Dummheit auszeichnet. Auch alle anderen Charaktere sind trotz ihres fordernden Jobs keine Ausgeburten von Intelligenz oder gesundem Menschenverstand, jedoch setzt Oliver alldem die Krone auf. Man möchte ihm dauerhaft den Mund zuhalten bei alldem Blödsinn, der daraus hervorgeht, ebenso wie er nur bestimmte Handlungen ausführt, weil der Autor das so möchte. Denn Eigenmotivation oder -initiative, Raum zur Entfaltung besitzt diese Figur wohl am wenigsten.
Insgesamt also eine Ansammlung an Strichmännchen, die sich maximal zu Stereotypen entwickeln, wie zum Beispiel dem stetig im Bademantel gekleidete Nerd oder der weiblichen Auftragskillerin ohne jegliche Emotionen.
Doch ist euch etwas an diesem Gebrabbel aufgefallen? Nirgends ist auch nur die Rede vom Dark Web, obwohl es titelgebend für die Story ist. Das liegt daran, dass der Plot um das Deep Web, nämlich Olivers und Marks Drogengeschäfte, bei den zwanzig anderen Perspektiven und Subplots vollkommen untergeht. Rechercheprofi Etzold redet zwar sehr viel um den heißen Brei, was geschichtliche, finanzielle, wirtschaftliche oder politische Informationen betrifft, doch bei dem kontroversesten Thema zieht er den Schwanz ein. Das, was man darüber erfährt, haben schon YouTuber in zehnminütigen Videos besser gemacht. Wer eine krasse und brutale Geschichte erwartet, die mit den Tücken und Vorteilen des schwerer erreichbaren Internets spielt, wird bitter enttäuscht werden. Für mehr als eine Kulisse hält es nicht her, denn auch wenn er einen kleinen Nebenstrang einführt, in dem es um ein menschliches Kaufobjekt geht, er traut sich nie mehr zu tun als nur zu erzählen. Ehe es dazu kommen kann, tatsächlich etwas Grausames zu zeigen, wird abgeblendet, denn nichts wäre ja schlimmer als das zu zeigen, wofür dieser Teil des Internets weitreichend bekannt ist und weswegen der Leser das Buch hauptsächlich zur Hand nehmen wird.



Es hätte ein rasanter, spannender Thriller voller menschlicher Abgründe und neuen Seiten des Internets werden können. Denn Talent zum Informieren hat der Autor sich definitiv. Die Liste der Dinge, die er nicht kann, ist jedoch viel größer, bestehend aus Erzählen, Szenenaufbau, Character-Buildung und vor allem die Devise Show, don't tell zu befolgen. Eine stinklangweilige, biedere Geschichte, die keinerlei Stimmung oder sonst etwas hat, das  zum Weiterlesen antreibt. Es gibt keinerlei Entwicklungen, der Plot ist unnötig langgezogen, dünn und unter viel zu vielen Nebensträngen versteckt, die durchsetzt sind von unnützem Wissen, das dem dummen Leser trotzdem für die Erhaltung des eigenen Selbstwerts aufgedrängt werden muss. Definitiv ein Jahresflop. Doch wie sagte einst ein kluger Mensch, Veit Etzold? Übung macht den Meister! Auch wenn man meinen müsste, dass Sie nach zehn Bücher langsam den Dreh raushätten.




Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen


Extra:



Damit ihr nicht mit leeren Händen in euren Alltag zurückkehrt: hier sind einige Videos zum Thema verlinkt, die euch viel kompakter darüber informieren als es dieses Buch kann :)



CU
Sana

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