Donnerstag, 14. Juni 2018

:)Rezension:): Schloss aus Glas

Grundwissen:



Titel♥: Schloss aus Glas (original: The Glass Castle)
Autor/-in♥: Jeannette Walls
Erschienen♥: 2006 im Diana-Verlag; Neuauflage 2017 im Diana-Verlag; original 2005
Seitenanzahl♥: 383-400 Seiten
Preis♥: 9, 99 € (Taschenbuch und Kindle Edition); 14, 00 € (Hardcover) [Quelle: amazon.de]
Genre♥: Memoir; Autobiographie; Non-Fiction





Quelle: © Diana-Verlag
Quelle: © Scribner Verlag























Inhalt:




,,Das müsste man sich bei allen Monstern merken, sagte Dad, sie jagten den Menschen gerne Angst ein, aber sobald man sich ihnen entgegenstellt, nehmen sie die Beine in die Hand.'' - S. 53f.



Jeannette Walls, heute renomierte Journalistin und Schriftstellerin, hat nicht immer in New York City gelebt - oder überhaupt irgendwo. Gemeinsam mit ihren Geschwistern zog sie mit ihren Eltern quer durch Amerika und blieb nirgends länger als für ein paar Wochen. Ständig sind sie auf der Suche nach dem perfekten Ort, an dem Vater Rex seinen Plan, ein Glassschloss zu bauen, in die Tat umsetzen kann. Doch was für die Kinder ein ständiges Abenteuer ist, wird irgendwann zur Tortur, denn nicht nur hausen sie illegal in leer stehenden Häusern und sind auf der Flucht vor Geldeintreibern, auch die Armut und der Hunger macht den Kindern das Leben zu schaffen. Doch egal wie sehr sie ihre Eltern darum bitten, endlich feste Arbeit zu finden, sie halten krampfhaft an ihrem freien Lebensstil gegen das Establishment fest. So bleibt den Geschwistern keine Wahl als sich irgendwann von ihren Eltern zu lösen und für sich selbst zu sorgen. Doch Familienbande sind nicht so leicht zu durchtrennen ...





Meine Meinung ...




zum Buch:





Autobiografien oder Erfahrungsberichte zu bewerten gestaltet sich immer besonders schwer. Denn meistens sind die Verfasser der Bücher keine professionellen Autoren und benötigen Hilfe, um ihre Geschichte niederzuschreiben. Und wer kann sich schon das Recht herausnehmen, reale Gegebenheiten zu bewerten? Bei Jeannette Walls' Schloss aus Glas sind diese Bedenken fast vollkommen unnötig, denn sie beschreibt ihre Lebensgeschichte so hautnah und so ausführlich, dass man fast das Gefühl bekommt, einen Roman zu lesen.
Einen Großteil des Buches beschäftigt sich die Autorin mit ihrer Kindheit, die geprägt ist von einem nomadenhaften Leben mit vielen Abenteuern und wenig Geld. Sie zeigt diese beiden Seiten der Medaille jedoch nie nacheinander, als Traum, aus dem sie langsam erwacht, sondern stetig im Wechsel, was den Leser genauso unentschlossen macht wie Jeannette. Alleine das erste Kapitel, in dem die fünfjährige Jeannette Hot-Dogs kocht und sich dabei schlimme Brandwunden holt, weil ihre Mutter der festen Überzeugung war, sie brauche bei ihrer Reife keine Aufsicht, schockiert ungemein, vor allem da ihre Eltern sie in einem Krankenhaus nicht mal zuende genesen lassen. Es kräuseln sich einem die Fußnägel bei den Lebensumständen, die die beiden Erwachsenen ohne Weiteres hinnehmen, ebenso wie ihren Überzeugungen, die in Infektionsgefahr oder dem Bildungssystem nur einen Witz sehen. Auch Drogenmissbrauch und Gewalttätigkeit in Beziehungen spielen eine Rolle im Leben der Eltern, was der Autorin und ihren Geschwistern bereits sehr früh ihre unschuldige Sicht auf die Welt nimmt. Sie müssen darum kämpfen, das Ur-Vertrauen in ihre Eltern aufrechtzuerhalten, insbesondere in ihren Vater, der ihnen das Blaue vom Himmel verspricht, nur um letztlich nichts zu verändern. Symbolisch dafür steht das titelgebende Schloss aus Glas, das er skizziert und zu bauen plant, obwohl er nie die finanziellen Mittel dazu haben wird. Es tut einem ebenso weh wie der Autorin, dass das Schloss aus Glas nach und nach zu einem blassen Traum, einem Luftschloss, verkommt, und die Familie nur noch vor sich hin existiert.
Dabei scheut sich die Journalistin nicht, alles im kleinsten Detail zu schildern. Die Kapitel sind recht kurz, weswegen man schnell durch Jeannettes Leben rast, und in jedem davon wird man kurz innehalten müssen, um das Geschehene zu verdauen. Die Darstellung der armen Dörfer, in denen Gewalt, Alkohol und Prostitution herrschen, ist wahnsinnig hart  zu lesen, denn in welchem anderen Buch trifft man auf eine so ungeschönte Darstellung des Abschaums der Unterschicht? Doch obwohl das vom Durchschnittsleser weit entfernt sein dürfte, fühlt man sich immer, als wäre man leibhaftig mit Jeannette dabei, und das obwohl sie eine so neutrale und nicht wertende Sprache nutzt. Das passt auf der einen Seite hervorragend zu dem beschriebenen Zeitabschnitt, da die Kinder das Handeln ihrer Erziehungsberechtigten nicht infragestellen (können), andererseits nimmt es den vielen grausamen und teilweise traumatischen Erlebnissen die Emotionalität, die es hätte in einem auslösen können.
Dennoch hat man das Gefühl neben all den Orten, in denen die Familie gelebt hat, auch die Familie selbst sehr gut kennenzulernen. Man kann sie von vorneherein wunderbar voneinander unterscheiden und lernt sie in vielen Facetten ihrer selbst kennen, da man sie sowohl in ihren Höhen als auch ihren Tiefen erlebt. Man empfindet Mitleid gegenüber und Stolz auf die Kinder, weil sie schon in so frühem Alter für die Ernährung der Familie sorgen müssen, und Wut und Enttäuschung gegenüber denen, die diese Aufgabe eigentlich übernehmen sollten. Trotz ihrer Handlungen und dem neutralen Schreibstil nimmt man sie aber nie als unmenschlich wahr, sondern als Menschen, die ein Leben in Freiheit genießen wollen, dabei aber vollkommen die Verantwortung gegenüber sich und anderen verlieren. Die Begründungen, insbesondere der Mutter, sind sehr fadenscheinig und lassen die beiden aussehen wie Kinder, aber angesichts ihrer Vergangenheit kann man sie sogar verstehen. Doch egal wie schrecklich die eigene Vergangenheit ist, das gibt einem kein Recht darauf, andere in sein Elend hineinzuziehen.
Bis die Kinder zu dieser Erkenntnis kommen, dauert es jedoch sehr lange. Logisch, immerhin dürfen sie auch erst im Teenager-Alter ausziehen oder jobben, aber dennoch ist der Teil, in dem alles ertragen wird, im Verhältnis zu dem Teil, in dem sie sich von ihren Eltern lösen, zu lang. Es ist natürlich abhängig von den Präferenzen des Lesers, aber den Ablösungsprozess und die wachsende Selbstständigkeit zu beobachten wäre psychologisch viel interessanter und komplexer als den Stillstand der Walls'. Leider verliert die Autorin zu dieser Lebensphase nicht viele Worte, was einen etwas ernüchtert zurücklässt. Wie faszinierend wäre es gewesen, die ersten Monate alleine in einer Großstadt in einer Wohnung mit fließend Wasser und Strom zu beschreiben? Wie schwer es gewesen sein muss, sein altes Leben vollkommen hinter sich zu lassen? Wie zwiegespalten man sein muss, wenn man einerseits so weit weg wie möglich von seinem alten Ich möchte und sich dabei vielleicht an etwas klammert, das man gar nicht ist? Und obwohl Walls besonders vom letzteren Konflikt betroffen ist, wird dieser und seine Auflösung kaum behandelt. Dort ist ihr ihre Objektivität und journalistische Kürze eher zum Verhängnis geworden, denn gegen Ende wird das Buch eigentlich sehr emotional, nur wird man durch die Wortwahl und die Stimmung kaum davon berührt. 



Mit dieser Autobiografie hat die Autorin eine schockierende Geschichte veröffentlicht, in der sie jede Form von grauenvollen Lebensumständen erleben muss und gemeinsam mit ihren zwei Schwestern und einem Bruder sehr schnell erwachsen werden musste. Es gibt wunderbare Momente, in denen man die Walls um ihre Familienbande beneidet, nur um sich im nächsten Moment zu fragen, wie man ihnen jemals gegenüber Neid empfinden kann. Es ist eine so toxische Familie, die geprägt ist von Vernachlässigung, abgelehnter Verantwortung und unbedingter Liebe, dass man sich nicht entscheiden kann, ob man den Abnabelungsprozess nun befürwortet oder nicht doch noch eine letzte Chance riskieren soll. Eine wunderbar plastische Darstellung von Menschen, die vielleicht oberflächlich gesehen schreckliche Menschen sind, jedoch bei tiefgehender Beobachtung ihre Gründe dazu haben.  Dennoch ist der interessanteste Teil sehr verkürzt und man dürfte es schwer haben, all die Emotionen hinter einem solchen Leben ohne persönliche Vorerfahrungen nachzuvollziehen, da die Autorin nunmal jede Gefühlsduselei beiseite lässt.




Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen


Extra:



Wer eine emotionalere Form des Buches möchte, bei der definitiv Tränen fließen werden, der kann sich gern den Trailer zur Verfilmung ansehen. Ich jedenfalls habe tausend Tränen vergossen!


CU
Sana

2 Kommentare:

  1. Huhu Sana,
    das Buch habe ich auch hier und nach deiner tollen Rezension habe ich richtig Lust bekommen es auch ganz bald vom SuB Dasein zu befreien!
    Liebe Grüße, Petra

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    1. Hi, Petra :3

      Freut mich, dass ich dich so anfixen konnte :3

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