Freitag, 5. April 2019

:)Rezension:): Er ist wieder da | Darf man über Hitler lachen?

Grundwissen:


Titel: Er ist wieder da
Autor/-in: Timur Vermes
Erschienen: 2012 im Bastei-Lübbe-Verlag
Seitenanzahl: 394 Seiten
Genre: Satire
Preis: 8, 99 € (Taschenbuch)



Quelle: © Bastei Lübbe




Inhalt:


,,Es war im Grunde wie Anfang der zwanziger Jahre. Nur mit dem Unterschied, dass ich mir damals eine Partei gekapert habe. Diesmal war es eine Rundfunksendung.'' - S. 202


Seit über 50 Jahren hält man Adolf Hitler für tot. Doch im Sommer 2011 taucht er auf einem Hinterhof Berlins wieder auf und ist schockiert über den Zustand seines geliebten Deutschlands: Totaler Frieden, verseucht vom Türken und die Nationalsozialisten so ziemlich ausgelöscht. Nun ist es seine Aufgabe, Deutschland wieder so groß zu machen, wie es einst war. Doch anders als vor einem Jahrhundert tut er das nicht durch eine politische Karriere, sondern durch einen kleinen Kioskbesitzer, der ihn und sein Auftreten so genial findet, dass er ihm einen Platz in einer Satiresendung verschafft. Wer Hitler schließlich so gut spielen kann und nicht ein einziges Mal mit seiner Rolle bricht, der verdient einen Platz in der Comedy-Landschaft!




Meine Meinung ...



zum Buch:



Satire sorgt immer für Furore - und genau das soll sie auch. Denn auf der einen Seite ist kaum eine Unterhaltung besser als diejenige, bei der einem das Lachen wiederholt im Halse stecken bleibt, und auf der anderen Seite bringt es einem mit einem Augenzwinkern, vielleicht sogar mit einem Mittelfinger näher, was gerade bei uns schief läuft. Und das nicht nur auf der Ebene der Satire, sondern auch der Rezeption dieser.
Er ist wieder da ist ein Paradebeispiel dafür, denn Timur Vermes hatte hohe Wellen damit geschlagen. Über erheiterte und begeisterte Leserschaften traf er damals auch auf viel Kritik, da viele aus seiner Darstellung von Hitler als Witzfigur eine Diffarmierung des Holocausts und anderen durch ihn beeinflussten Schandtaten gezogen haben. Dies war nicht nur ein ,,deutscher'' Kritikpunkt, sondern auch in anderen Ländern. Was sagt das über unsere, wenn nicht sogar die globale Gesellschaft aus? Dass wir das sensible Thema des Zweiten Weltkrieges und der dort begangenen Genozide verdrängen wollen? Dass wir es zwar lieben zu lachen, aber manche Themen einfach nicht mit Humor verarbeiten werden sollten? Oder dass wir gar einem Autor Vorwürfe machen, wenn er auch nur daran denkt, eine Person wie Hitler in einer humorvollen Geschichte einzusetzen?


Provokant und missverstanden

Die Antwort zu all den obigen Fragen lautet ja, denn so sensibel eine Thematik auch ist, Humor als Mittel mit Umgang damit sollte niemals verurteilt werden, auch wenn es sich um die schwerste der Weltgeschichte handelt. Dennoch verurteilen viele Menschen Satire als Umgang mit ernsten Themen allgemein häufig und zeigen eine gewisse Tendenz, Dinge dort hineinzulesen, die der Autor so nicht meint. Beispielsweise wird der Holocaust zu keinem Zeitpunkt verharmlost; ganz im Gegenteil, die auftauchenden Figuren in dem Buch sind immer wieder schockiert darüber, mit welcher Ernsthaftigkeit Hitler bzw. aus deren Sicht ein Imitator des Führers judenfeindliche Parolen abfeuert, haben Momente, in denen sie entgegen aller Wahrscheinlichkeit auf die Idee kommen, dass es sich doch nicht um einen ambitionierten Schauspieler handeln könnte.
Die Tatsache, dass man aus Hitlers Perspektive liest, scheint jedoch viele Leser auf die Idee zu bringen, als würde der Autor selbst Witze darüber machen oder verharmlosen. Aber ganz ehrlich - wenn man schon überzeugend aus Hitlers Sicht erzählen möchte, wie soll man solche Aussagen dann beiseite lassen? Hitlers verdrehter Blick auf die Welt, Rassenlehre und die Glorifizierung seines eigenen Heimatlandes sind allgemein bekannt, und dass der Fanatiker aller Fanatiker solche Aussagen trifft, ist notwendig, um ihn zu einer glaubwürdigen Person zu machen und auch, damit er in der Geschichte funktionieren kann. Selbstredend ist die Auswahl seiner Person als Ich-Erzähler schon provokant und ungewöhnlich genug, aber muss man deswegen seine Aussagen als die des Autoren missverstehen?
Muss man nicht, aber das fällt vielen Lesern leichter, als sich im Kopf des Führers zurechtzufinden und seinen Narzissmus zu reflektieren. In seiner Welt ist Hitler eine Heldenfigur, die nun sein Comeback feiert, um Deutschland aus den Fängen des Friedens zu retten. Er nimmt sich selbst und seine Rassenlehre so bierernst, dass man nur darüber lachen kann. Doch neben diesem offensichtlichen Humor hat der Autor noch eine ganz andere Ebene der Provokation, nämlich Momente, in denen man durchaus mit Hitler einer Meinung ist. Besonders hervorstechend ist dort das Kapitel, in dem er das deutsche Fernsehen, allen voran Assi-TV, studiert und kommentiert - und wer stimmt ihm schon nicht zu, dass es sich dabei um Müll handelt? Genau diese Momente sind es, die viele Leser so stutzig machen - denn oh mein Gott, wie kann man Hitler nicht zu hundert Prozent böse darstellen?
Ganz einfach: Weil es so etwas nicht gibt. Hitler war ein größenwahnsinniger und gefährlicher Mann, der viel Leid über die Welt gebracht hat, das steht gar nicht zur Debatte. Jedoch hat er - in seinem Kopf - damit alles richtig gemacht, und einem Fanatiker gesellschaftlich anerkannte moralische Vorstellungen nahezulegen, ist wirklich schwierig. Entsprechend bedeutet es nicht, dass alle Alarmglocken schrillen müssen, nur weil man einige Momente erlebt, in denen man seine Meinung nicht verwerflich findet. Und zu keinem Zeitpunkt kommt man darauf, mit ihm aufgrund dessen zu sympathisieren, und dafür sorgt der Autor, so paradox es auch ist, mit seiner Perspektive.


Distanziert und komplex

Deswegen nimmt irgendwann die Aufmerksamkeit des Lesers ab. Denn nicht nur wird bei Hitlers Sicht eine recht veraltete Sprache verwendet, auch der Inhalt dieser Zeilen schafft eine gewisse Distanz. Denn wie bereits erwähnt sind seine Ansichten zur Welt und zu gewissen Bevölkerungsgruppen derart absurd, dass der Kopf sich bei so viel Blödsinn selbst abschaltet. Aus dem Grund ist das Buch nicht gerade leicht zu lesen, hält jedoch durch die verschiedenen Arten von Humor für jeden Lese etwas bereit.
Von Situationskomik über Klischeegestalten Berlins bis hin zu intelligent verpackter Gesellschaftskritik steckt Timur Vermes ein breites Spektrum ab, in dem jeder etwas Witziges wird für sich herausfiltern können. Dreh- und Angelpunkt dieser Satire ist jedoch, dass Hitler für einen Comedian gehalten wird, dies selbst nicht begreift, und die Figuren dadurch eigentlich ständig aneinander vorbeireden. Es ist zum Schreien, wie ernst er sich selbst nimmt und manche seiner Mitstreiter sogar resigniert und genervt reagieren, weil ihr neuer Stern am Comedy-Himmel nie aus seiner Rolle herausbricht. Auch dass er seine Auftritte als politische ansieht während seine Crew eigentlich nur Quote machen will, ist herrlich gemacht und zieht viele witzige Situationen nach sich, unter anderem wie Hitler die NPD im nationalen Fernsehen lächerlich macht. 
Dennoch sind diese vielen Arten von Humor nuanciert und bergen auch die einen oder anderen ernsten Momente, in denen man merkt, dass der Autor neben einer Komödie auch zeigt, wie leicht die Bevölkerung in der Ummantelung von Humor jemandem verfallen kann. Denn innerhalb dieses eindeutig satirischen Werks tritt Hitler als jemand auf, dessen Aussagen als Satire verkauft werden, obwohl sie eigentlich ernst gemeint sind. Und wie oben erwähnt, enthält jede akzeptierte Satire einige Körnchen Wahrheit. Dass die deutsche Bevölkerung Hitlers Wahrheit feiert und er am Ende des Buches sogar über die Comedy-Landschaft hinausreicht, zeigt nämlich gleichzeitig die Gefahr, die der Schutzmantel der Satire bieten kann, nämlich dass fragwürdige Aussagen salonfähig gemacht werden. Und das in sein eigenes Satirewerk zu verpacken, ist ein Meisterstreich, auch wenn man verstehen kann, dass man angesichts des Endes erstmal gemischte Gefühle gegenüber dem Buch hegt.


Er ist wieder da ist zurecht ein kontroverses Buch, allerdings sind die negativen Kritiken gegenüber dieses satirischen Werkes aus meiner Sicht unberechtigt. Aus Hitlers narzisstischer und vollkommen kranker Perspektive erlebt man das heutige Deutschland und schüttelt abwechselnd vor Lachen und Entsetzen den Kopf. Der Autor leistet grandiose Arbeit, seine Sicht auf die Welt bzw. das, was er sich darüber zusammenreimt, authentisch umzusetzen und dabei diesen grausamen Menschen nicht als comichaften Bösewicht darzustellen, sondern differenzierter. Es ist faszinierend zu beobachten, wie er, obwohl er und seine Mitstreiter die ganze Zeit aneinander vorbeireden, dennoch seinem Ziel näher kommt, Deutschland für sich zu vereinnahmen, und mit der Gefahr der Satire darin hat der Autor selbst noch eine Warnung neben seiner Gesellschaftskritik eingefügt, die dem Buch das gewisse Etwas verleiht. Da es nicht immer leicht ist, Hitlers Ausführungen sprachlich sowie inhaltlich zu folgen - oder dies zu wollen - und die Geschichte mehr als die Hälfte ihrer Seiten braucht, um eine Richtung zu bekommen, kein vollkommenes Highlight, aber dennoch ein empfehlenswertes, intelligentes und unterhaltsames Buch!



Ich gebe dem Buch:


4/5 Punkten



CU
Sana

2 Kommentare:

  1. Hey du,
    ich hatte von der Kritik dazu gar nicht viel mitbekommen, kann aber auch Kritiker verstehen. Mir kam es allerdings nicht so vor als würde der Holocaust damit ansich ins Lächerliche gezogen werden. Meine Eindrücke decken sich da weitestgehend mit deinen.
    Liebe Grüße, Petra

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    1. Hi, Petra, danke für deinen Kommentar :)
      Nun ja, wie in der Rezi schon hervorging, finde ich die Meinung der Kritiker eher übereilt. Von wegen ,,Es geht darin um Hitler, also habe ich ein Recht, das schlecht zu finden''. Aber es ist schön, wenn du dennoch für beide Seiten Verständnis aufbringen kannst :3

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