Ferien sind ja normalerweise bekannt für Entspannung, Erholung und eine große Portion Glücksseligkeit.
Dies ist das erste Mal, dass ich es hier in Polen nicht so empfinde.
Ich bin gar nicht in der Lage dazu zu beschreiben, welch' eigenartiges Gefühl es ist, in einem kleinen, noch aus dem Zweiten Weltkrieg stammenden Häuschen aufzuwachen, in dem alten, unbequemen Bett, das man sich mit der Mutter teilt, das übliche, morgendliche Geplauder sanft an die eigenen Ohren dringen zu spüren und eigentlich alles so ist, wie es in früheren Zeiten gewesen ist, und doch nur noch wenige Dinge an diesem Ort als Zuhause zu empfinden.
Dabei hat sich grundlegend nichts verändert - außer die Fassade des Hauses vielleicht, das nun in einem munteren Gelb angestrichen ist, das mehr Leben ausstrahlt, mehr Lebensfreude, mehr Zusammenhalt, als je in diesem Haus gewohnt hat. Ansonsten ist alles gleich: Dieslben Personen, die eine Sprache sprechen, die so vielen Menschen unverständlich ist und die so viel Traditionelles vermitteln, ohne es zu verkörpern, dieselben Lebensmittel, ihrer Wärme und ihres Geschmacks beraubt, dieselben Fernsehsendungen, die von Alt und Jung betrachtet werden, ohne tatsächlich geschaut und verarbeitet zu werden. Die gleichen Sitten, die gleichen Gewohnheiten ... dasselbe Empfinden?
Für mich ist es das nicht mehr. Denn von all dieser Statik des Bildes, dessen Teil ich gewesen bin und dank meines Blutes noch immer bin, bin ich ein einzelnes Element geworden, das dynamisch ist, stetig im Wandel, stetig nach Neuem und nach Lebendigkeit strebend. Versteht mich nicht falsch, Altes ist mir nicht verhasst; die Geschichte der Menschen und der Wandel vom unzivilisierten Steinzeitmenschen zu einem höheren Geschöpf, das Techniken, Gesellschaftsmodelle und so viel mehr entwickelt und zu einem großen Teil erfolgreich ausgebaut hat, ist verdammt interessant. Doch nach alten Sitten zu schweigen, keinen Protest zu äußern und wie ein Kleinkind gesehen zu werden, über dessen Kopf hinweg entschieden wird und das in rein gar nichts mit einbezogen wird - die Meinung einer Minderjährigen ist ja alles andere als von immenser Wichtigkeit - ... das bin nicht mehr ich. Und ich will auch nicht nach diesen Gepflogenheiten leben müssen, auch wenn ich dieser Erziehung mein ganzes Leben lang nicht werde entfliehen können, ohne den Kontakt mit jeglichen Familienmitgliedern, selbst Mutter und Vater, abzubrechen, und dies ist doch nichts, was ich will. Akzeptanz, Achtung - das ist das einzige, nach dem ich verlange ... nein, das ich sogar als selbsverständlich betrachte, als etwas, was sie mir geben sollten.
Irgendwie ist es unsagbar traurig, dass ich mich so lange in einem Umfeld pudelwohl gefühlt habe, welches mich auf solche Weise in eine andere Person verwandeln wollte, als diejenige, die die ganze Zeit in mir schlummerte und nun erwacht ist und leben will. Es ist traurig, dass ich mich fremdschäme für diese Angeberei mit seltenem oder kostbaren Gütern, für die verbreiteten und heiß diskutierten Gerüchte und das Hinwegsehen darüber, dass man viel redet und lacht, aber nichts bespricht. Es ist traurig, dass ich und meine ehemals beste Freundin uns nichts mehr zu sagen haben, weil sie in ein Schema passt, gegen das ich mich strikt weigere. Es ist traurig, dass mit jedem Tag, den ich hier verbringe, das Verlangen nach Hause zurückzukehren wächst, obwohl das einst mein Zuhause gewesen ist.
Es ist so, als hätte man mir mit Gewalt die Augen aufgerissen, um mir zu zeigen, dass jeder Schatten und jeder Kieselstein einen Teil meines Zuhauses zeigte, den ich niemals zu entdecken wagen wollte.
Nun sind meine Augenlider abgerissen.
Ich starre weit in die Gegend, die mir eins so vertraut war.
Aber ohne meine Augenlider gibt es keinen Weg zurück.
Ich bin nicht mehr blind, nicht mehr geblendet.
Ich will nach Hause.
Ich will weiterreisen.
CU
Sana
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