Freitag, 5. September 2014

:)Rezension:): Wintermädchen

Grundwissen:


Titel: Wintermädchen (original: Wintergirls)
Autor/-in: Laurie Halse Anderson
Erschienen: 01.07.2010 im Ravensburger Buchverlag
Seitenanzahl: 317 Seiten
Preis: 7, 99 € (Taschenbuch); 6, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Drama; Contemporary; Young Adult




Inhalt:


I could say I'm excited, but that would be a lie. The number doesn't matter. [...] The only number that would ever be enough is 0. Zero pounds, zero life, size zero, double zero, zero point. Zero in tennis is love. I finally get it. - Lia


In der Silvesternacht leisten die beiden Freundinnen Lia und Cassie einen heiligen Schwur: Sie wollen alles dafür tun, die dünnsten Mädchen der Schule zu sein. Nun ist Cassie tot und für Lia bricht eine Welt zusammen. Doch die Stimmen in ihrem Kopf werden immer lauter. Sie befehlen ihr zu hungern und Lia gehorcht - in ihrem einsamen Kampf gegen sich selbst, ihre Eltern und ihre tote Freundin, die in der Welt der Wintermädchen auf sie wartet.



*Quelle: amazon.de




Meine Meinung ...




zum Cover:


Amerikanisches Cover: ♥♥♥♥♥ 
Deutsches Cover: ♥♥♥♥




















Beide Cover sind durchaus schön anzusehen, allerdings ist das amerikanische wirklich nicht zu toppen. Das eingefrorene Mädchen und ihr trauriger Blick passen perfekt zu dem Titel des Buches und geben so die Handlung des Buches in einem einzigen Bild wieder, dass  durch das eisige Türkis, das schillert und glitzert, gleichzeitig lebendig und tot wirkt. Und ebenso wie die Aufmachung ist auch der Titel perfekt, da Lia und Cassie genau dieses Wort dazu benutzt haben, um sich selbst zu beschreiben; sie sind sowohl tot als auch lebendig, stehen genau an der Grenze zwischen beiden Welten. Einfach grandios!
Das deutsche Cover ist schön anzusehen und kann ebenfalls mit dem Titel in Verbindung gebracht werden, da der Hintergrund, in dem sich die Hand nach dem Schmetterling streckt, ebenfalls sehr an Eis erinnert. Der Schmetterling als Zeichen des Lebens ist ebenfalls ein schönes Symbol, obgleich es nicht im Buch vorkommt.
Beide Cover sind wirklich wunderschön!





zum Buch:



Schwierige Themen in Büchern gut umzusetzen erweist sich oftmals als wahnsinnig kompliziert, vor allem wenn es darum geht, eine psychisch labile Person den Lesern glaubhaft und verständlich näherzubringen. Und solange man selbst nicht in einem solchen Zustand gewesen ist und nur erraten kann, was in den Köpfen solcher Menschen vorgeht, ist es in vielen Fällen nicht möglich, eine bestimmte psychische Krankheit nicht klischeehaft zu vermitteln und einige Leser von dem spöttischen Gedanken 'Was für ein Psycho' wegzubringen.
Laurie Halse Anderson ist eine der wenigen Ausnahmen, die all die Komplikationen vermeiden konnten und einen Roman verfasst hat, der die Probleme der Essstörungen wie Bulimie oder Magersucht hervorragend beschreibt und keine 08/15-Geschichte daraus macht.
Es gelingt der Autorin durch ihren Schreibstil, eine erdrückende, düstere Atmosphäre zu erschaffen, die den Leser in die Welt der Wintermädchen zieht und ebenso kein Entrinnen zulässt, wie auch der Protagonistin. Die Gefühle und Eindrücke Lias sind wunderbar und fesselnd beschrieben, sodass man ihre Sucht nach dem Hungergefühl wirklich gut verstehen kann und man nach und nach, Stück für Stück, erfährt, wie Lia an den Punkt gelangt ist, in den sie sich nun hineinmanövriert hat. Dies erfährt man durch Rückblenden, in denen Lia ihr Leben schildert und man so hautnah miterlebt, wie es immer und immer mehr aus den Fugen gerät und Lia sich immer mehr in der Magersucht verstrickt. Dabei hält sie sich vor allem an ihre beste Freundin Cassie, mit der sie von klein auf befreundet ist und welche selbst mit Bulimie zu kämpfen hat; ihre Gründe bekommen wir leider nicht so offen auf den Tisch gelegt wie Lias. Dennoch ist es faszinierend und unheimlich zugleich, die beiden dabei zu beobachten, wie sie sich gegenseitig triggern und wie sie immer mehr in diese Probleme hineingeraten. Abgesehen davon beschreibt Laurie Halse Anderson auch die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren meisterhaft und realistisch. Außerdem benutzt sie viel Metaphorik und Symbolik in diesem Roman, sodass der Leser ab und an auch sein Köpfchen etwas anstrengen muss, um zu begreifen, was die Autorin einem damit sagen will; manchmal stolpert man sogar über diese Metaphern oder aber sie fallen einem erst im Nachhinein noch auf. Gratulation also diesbezüglich, denn es dürfte wohl kaum jemanden geben, der diese Art des Schreibens nicht als schön empfindet!
Was die Charaktere betrifft, so sind diese sehr vielschichtig und wirken in keinster Weise stereotypisch. Sie sind alle sehr originell, besitzen ihre Ecken und Kanten und haben sehr interessante Hintergrundgeschichten für den Leser, damit dieser sie besser kennenlernen kann. Es dürfte für die meisten wohl schwierig sein, sich mit Lia in Verbindung zu setzen, da sie sehr zu selbstzerstörerischem Verhalten neigt (damit ist nicht ihre Magersucht gemeint) und sie, anstatt offen über ihre Probleme zu reden, lieber schweigt. Zusätzlich hat sie das Gefühl, von ihren Eltern vernachlässigt zu werden und bleibt während dem gesamten Buch über sehr für sich; die einzige, die an das Wintermädchen auch nur ansatzweise rankommt, ist ihre kleine Stiefschwester Emma, die ebenso wie Lia von ihren Eltern unter Druck gesetzt wird, allerdings Unterstützung in ihrer großen Schwester findet. Es ist wirklich schön zu lesen, wie die Beziehung der beiden sich entwickelt und wie sie einander Vertrauen schenken. Die Eltern, die von Lia alles andere als positiv dargestellt werden, sind hierbei auch nicht das pure Böse; im Gegenteil, es gibt Unmengen von Situationen, in denen man ihre Verzweiflung und die Wut auf sich selbst über den Zustand Lias hinauslassen und die harte, kalte Maske eines nüchternen Erwachsenen auch mal ablegen können. Das hat mir vor allem bei Lias kontrollsüchtiger und rationaler leiblicher Mutter sehr gefallen. Man kann jede ihrer Handlungen nachvollziehen, auch wenn sie Lia wütend machen, denn wer wüsste schon, wie er mit seinem magersüchtigen Kind umzugehen hat, was er tun kann, damit sie wieder ins Leben und gesunde Essverhalten zurückfindet? Um jedoch wieder auf Lia zurückzukommen: Vor allem ihre Halluzinationen und Visionen, die sie seit Cassies Tod heimsuchen, sind sehr gut gemacht und dienen ebenfalls der Symbolik in diesem Buch. Die Halluzinationen benutzt Lia nämlich unterbewusst, um sich selbst davon zu überzeugen, dass sie das Richtige tut, indem sie hungert, dass sie es nicht verdient, glücklich zu sein und dass sie zu Cassie ins Reich der Toten gehört. Dies in Form einer wütenden und gehässigen Cassie auszudrücken, die Lia alle möglichen schlimmen Dinge an den Kopf wirft, ist ein brillianter Einfall gewesen.
Ein weiterer positiver Aspekt dieses Romans ist, dass er sich sehr von anderen Büchern dieser Art unterscheidet: in den Durchschnittsbüchern sieht es nämlich immer so aus, dass das betroffene Mädchen ein tolles Leben führt, bis sie schließlich irgendwann zu hungern anfängt und ganz unbemerkt immer dünner wird, bis die Eltern etwas bemerken und sie auf die Waage oder zum Arzt zerren, bis die Protagonistin schließlich selbst die Entscheidung trifft, sich selbst zu helfen. Hier allerdings lernt man Lia schon viele Jahre nach dem Ausbruch ihrer Krankheit kennen und erfährt auch, dass es keinesfalls so leicht ist, diese Krankheit loszuwerden. Lia ist bereits zwei oder drei Mal im Krankenhaus gewesen, hat Essenspläne bekommen, Verhaltensregeln, etc., hat es jedoch noch immer nicht geschafft. Dies bietet einen vollkommen neuen Anhaltspunkt für den Leser, da er mitten hineingeworfen wird, anstatt die Geschichte von Beginn an mitzuerleben. So wird auch konsequent eine gewisse Spannung erhalten, da man unbedingt herausfinden möchte, wie all das zustande gekommen ist. Und hinzu kommt noch Cassies Tod, der Lia zusätzlich bedrückt und sie hin und her gerissen ist zwischen den Optionen all dies zu vergessen oder aber Antworten bezüglich Cassies Tod zu suchen. Als Konsequenz möchte auch der Leser wissen, warum Cassie gestorben ist, ob sie ermordert wurde, ob sie Selbstmord begangen hat, etc. Das verleiht dem Buch natürlich auch eine gewisse Spannung, die auch am nahen Ende des Buches nicht fort ist. Es erwarten einen einige schockierende Wendepunkte und sowohl böse, als auch gute Überraschungen und eine Achterbahnfahrt der Gefühle. (Ja, ich gebe es zu, ich musste weinen.)
Ein kleiner negativer Punkt ist jedoch, dass es nicht wirklich einen Sympathieträger in dieser Geschichte gibt. Die Charaktere sind zwar sehr interessant und wirken sehr real, jedoch wäre das Tüpfelchen auf dem i noch eine Person gewesen, die ich hätte mögen können. Emma hätte diese Rolle einnehmen können, wenn sie eine größere Rolle im Buch gehabt hätte, doch da dies nicht der Fall ist, besteht die Liste aus Personen in diesem Buch aus gebrochenen Persönlichkeiten, Menschen, die lieber flüchten, als Tatsachen ins Auge zu blicken und Figuren, die zwar Mitleid erwecken, jedoch nicht dazu bereit sind, etwas zu tun, was zur Verbesserung der Situation beitragen könnte.


Ein wunderschönes, wenn auch tragisches Buch über ein gefronenes Mädchen, das mit einem Fuß im Leben, und mit dem anderen im Tod steht und auf einer Reise durch ihre tiefsten Ängste ihre Balance wiederfinden muss, gespickt mit einer sehr innovativen Grundidee, sehr realen Charakteren und dazu noch wunderschönen, nahezu schon lyrischen Beschreibungen! Laurie Halse Anderson enttäuscht einen einfach nie mit ihren Büchern! <3






Ich gebe dem Buch:


♥.♥  Herzchen




Extra:


Einige [selbst erstellte] Buchtrailer zu 'Wintermädchen':






Außerdem wurde von der YouTube-Nutzerin Li Like eine Hörprobe des Buches auf YouTube hochgeladen. Hier der Link zum Video: *klick*

CU
Sana

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