Grundwissen:
♥Titel♥: Das wirst du bereuen (original: Tease)
♥Autor/-in♥: Amanda Maciel
♥Erschienen♥: 18.07.2014 im Bastei-Lübbe-Verlag (Boje)
♥Seitenanzahl♥: 304 Seiten
♥Preis♥: 14, 99 € (Hardcover)
♥Genre♥: Contemporary; Young Adult; Crime; Drama
Inhalt:
Thanks to Emma Putnam, I'll never be invisible again, no matter how hard I try. With Brielle, I could have turned into a yearbook girl, a popular girl, a confident girl. Emma turned me into a mean girl. - S. 257 (Sara)
Sara und ihre beste Freundin Brielle müssen sich vor Gericht verantworten, angeklagt, ihre Mitschülerin Emma gemobbt und in den Tod getrieben zu haben. Dabei war es doch Emma, die sich an Saras Freund Dylan rangemacht hat. Ein kleiner Denkzettel über Facebook muss da schon drin sein, finden die Freundinnen. Doch dann verselbstständigt sich die Sache und plötzlich ist Emma tot ...
*Quelle: amazon.de
*Quelle: amazon.de
Meine Meinung ...
zum Cover:
Deutsches Cover: ♥♥ |
Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥♥ |
Britisches Cover: ♥♥♥♥ |
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥ |
Durch die eher durchschnittliche und schlichte Aufmachung fallen die Ausgaben dieses Buches eben kaum auf, das sei sichergestellt. Auch wenn der Titel relativ gut ist, da es sich hier hauptsächlich um Mobbing und Belästigung eines Mädchens geht und die Ereignisse dieses Buches auch spätestens dann nicht mehr zu stoppen sind, als Sara hört, dass Emma sie als tease bezeichnet hätte, die verschiedenen Motive passen nur zum Teil. Vor allem das deutsche Cover ist relativ düster und lässt den Betrachter eher auf einen Thriller schließen als eine dramatische Geschichte; unterstrichen wird das Ganze noch durch den Titel, der bedrohlich in der Luft hängt. Aus diesem Grund passt dieses Cover auch kaum, denn weder Sara nach Brielle besitzen eine solche Entschlossenheit, Emma die Sache bereuen zu lassen, wie es durch diesen Titel suggeriert wird.
Die amerikanischen Cover sind ebenfalls nicht besonders. Während das zweite Exemplar wie jeder gewöhnliche Jugendroman aussieht und die dargestellte Person sich auch keinem Charakter wirklich zuordnen lässt, erinnert der wie mit Lippenstift geschriebene Titel daran, dass das Wort ,,Schlampe'' eines Tages auf Emmas Spind steht. Insofern passt es schon in gewisser Weise, jedoch finde ich es sinnlos, die erste Seite des Buches auf dem Cover abzudrucken, bloß damit es voller aussieht.
Das britische Cover ist somit also mein Favorit, da es beide Motive der amerikanischen Cover kombiniert. Die dargestellte Person könnte sowohl Brielle als auch Sara sein, und der zweifache Titel sind wegen dem Farbe-an-sich-Kontrast sehr schön aus. Ob die Aussage ,,Wir wollten niemandem wehtun'' eher stört oder nicht, ist jedem selbst überlassen. Es sieht so auf jeden Fall ganz nett aus und lässt sich ins Bücherregal stellen.
Die amerikanischen Cover sind ebenfalls nicht besonders. Während das zweite Exemplar wie jeder gewöhnliche Jugendroman aussieht und die dargestellte Person sich auch keinem Charakter wirklich zuordnen lässt, erinnert der wie mit Lippenstift geschriebene Titel daran, dass das Wort ,,Schlampe'' eines Tages auf Emmas Spind steht. Insofern passt es schon in gewisser Weise, jedoch finde ich es sinnlos, die erste Seite des Buches auf dem Cover abzudrucken, bloß damit es voller aussieht.
Das britische Cover ist somit also mein Favorit, da es beide Motive der amerikanischen Cover kombiniert. Die dargestellte Person könnte sowohl Brielle als auch Sara sein, und der zweifache Titel sind wegen dem Farbe-an-sich-Kontrast sehr schön aus. Ob die Aussage ,,Wir wollten niemandem wehtun'' eher stört oder nicht, ist jedem selbst überlassen. Es sieht so auf jeden Fall ganz nett aus und lässt sich ins Bücherregal stellen.
zum Buch:
Stimmt in diesem Fall jedoch, dass man ein Buch nicht nach seinem Umschlag beurteilen sollte? Ist dieses Buch besonderer, als das Cover suggeriert?
Leider nicht so richtig. Es sei gesagt, dass Amanda Maciel durchaus versucht hat, etwas Innovatives und Neues in ihre Geschichte zu packen, denn anders als in den meisten Fällen werden die Täter nicht als das pure Böse dargestellt, jedoch ist diese eher schöne Grundidee mit einer bedeutenden Botschaft durch die Umsetzung des Buches nicht recht gelungen. Denn hierzu hätte Maciel meiner Ansicht nach einen anderen Hauptcharakter wählen sollen. Einen, der kein Mitläufer ist, der sich nicht für Mobbing begeistern lässt, sondern der Stifter ist. Im Fall von dieser Geschichte hätte dies Brielle sein müssen, die beste Freundin Saras und stereotypische gemeine beliebte Zicke, die man in jedem beliebigen Film über Mobbing oder auch in bloßen Jugendromanen auffinden kann, damit der Hauptcharakter einfach irgendjemanden hat, mit dem er sich streiten kann. Denn das Problem sind nicht die Mitläufer, die sich von der Welle mitreißen lassen und mit Eifer dabei sind, das Leben eines Menschen zu zerstören, sondern diejenigen, die die Welle auslösen. Warum also hat die Autorin nicht auf den Ursprung des Problems zurückgegriffen? Wäre Brielle nicht gewesen und hätte Sara in ihrer Unsicherheit bestärkt, so wäre es nicht zum Mobbing gekommen. Zu einer Freundschaft zwischen unserer Protagonistin und Emma auch nicht, aber dann wäre zumindest niemand am Ende gestorben.
So jedoch erfahren die Leser Vieles über Sara, die das Opfer ihrer eigenen Unsicherheiten und Leichtgläubigkeit geworden ist und letztlich auch Emma das Opfer derer werden ließ. Man darf mich nicht falsch verstehen, dies alles aus ihrer Perspektive - der Perspektive eines Mobbers - zu verfassen ist ein sehr gut gemeinter Versuch, und Amanda Maciel enttäuscht einen definitiv nicht mit Saras Charakter, ihrem familiärem Hintergrund oder ihrem Gefühlszustand. Ganz im Gegenteil, man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und kann sogar ihre Entscheidung, Emma das Leben zur Hölle zu machen, nachvollziehen, ja, man bemitleidet sie an vielen Stellen sogar, aber dennoch hätte es mir persönlich eher gefallen, hätten wir über Brielles Schulter hinweg die Geschichte mitverfolgen können. Diese bleibt nämlich das gesamte Buch über ein Geheimnis. Man weiß, dass sie sich hinter einer Maske versteckt und dass sie innerlich wohl auch sehr unsicher sein muss, aber über ihr Motiv für das Quälen anderer oder für ihr Verhalten gegenüber Sara erfährt man relativ wenig. Von daher hätte das Buch wesentlich besser sein können, hätte Amanda Maciel sich auf Brielle fokussiert und hätten wir in ihren Kopf schauen können. So hätte man auch ihren Charakter als viel weniger flach empfunden, denn in dieser Form könnte sie durch jedes andere Mean Girl ersetzt werden.
Im Gegensatz zu Brielle jedoch sind die Charaktere sehr vielschichtig gestaltet und nahezu keinen kann man selbst am Ende des Buches tatsächlich beurteilen. Und dies ist etwas, wofür ich die Autorin wirklich bewundere: Sie hat es geschafft, dass man weder auf der Seite der Täter noch auf der Seite des Opfers stehen kann, denn sie alle besitzen ihre Fehler und Makel, verhalten sich oftmals naiv und inkonsequent, haben jedoch auch ihre Momente, in denen sie fürsorglich, treu und ehrlich sind. Sie alle machen im Laufe des Buches schreckliche Dinge, sind verzweifelt, leicht zu manipulieren, und wissen sich nicht zu helfen. Sie sind einfach menschlich, gebrochen, auf dem Weg zur Selbstfindung, und genau deswegen erschien das Buch so unheimlich realistisch. Abgesehen von Brielle, Carmichael und Saras Brüdern hat man das gesamte Buch über Probleme damit, jemals einen Charakter in die Schubladen 'Mag ich' und 'Mag ich nicht' zu stopfen, was mir selbst auch vor Augen geführt hat, dass wir selbst beim Lesen ein Schubladendenken besitzen. Und auch wenn man natürlich Charaktere bevorzugt, die keine dummen Entscheidungen treffen und sich nicht das Leben zerstören, zu Tease hat es aufgrund der Thematik gepasst.
Denn ab welchem Grad kann man behaupten, noch unschuldig zu sein und nicht zu dem Selbstmord eines Menschen beigetragen zu haben? Trägt man nicht immer dazu bei, wenn man nicht einschreitet? Müssten nicht alle Schüler und Menschen, mit denen Emma zu tun hatte, einen eigenen Prozess bekommen, weil sie alle in gewisser Weise - sei es passiv oder aktiv - zu ihrem Selbstmord geführt haben? Und inwiefern kann man das Opfer dann wirklich als Opfer beschreiben? Sind sie wirklich unschuldig und haben nichts getan, was sie in den Augen anderer weniger wert macht?
In Das wirst du bereuen ist es nämlich durchaus so, dass Emma kein Unschuldslamm ist. Natürlich, geredet und gelästert wird immer, aber ein Funken Wahrheit scheint immerhin in dem zu sein, dass sie relativ schnell ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Jungs lenkt. Da dies eine Seltenheit in den vielen Jugendbüchern ist, in denen es um Mobbing geht - in denen die Opfer nichts getan haben und alles sich nur auf Gerüchten aufbaut -, hat Amanda Maciel großen Mut bewiesen, Mobbing von beiden Seiten darzustellen. Natürlich, dass, was die Mobber tun, ist weder rechtlich noch moralisch vertretbar, aber die Art und Weise, wie die Medien damit umgehen, zeigen genau das Schubladendenken, das Amanda Maciel in diesem Roman nahezu unmöglich macht. Die Täter sind die Bösen, die bestraft werden müssen, die Reue zeigen und in den Boden gestampft werden müssen, während die Opfer zu Heiligen erhoben werden, sich auf sozialen Netzwerken Stimmen erheben, die diese Person ,,Engel'' nennen und ihr Frieden wünschen. So war es auch im Fall von Amanda Todd, obwohl das Mädchen definitiv dazu beigetragen hat, so behandelt zu werden. Sie hat einige wirklich dumme Dinge gemacht, die zu dieser Kettenreaktion geführt haben. Sie zu mobben und auszuschließen, anstatt ihr zu helfen, ist natürlich asozial, aber man sollte niemals vergessen, dass das Opfer ebenso wenig einseitig zu betrachten ist wie die Mobber. Ein Grund, warum ich dieses Buch hier sehr mochte, denn genau das prangert es an und genau das ist auch richtig so.
Nichtsdestotrotz stellt es sich als schwer heraus, eine Geschichte mitgerissen zu verfolgen, wenn man nur mit wenigen Menschen sympathisieren kann. Insbesondere bei Sara hat man Schwierigkeiten, mit ihrem Verdrängungsprozess klarzukommen. Natürlich möchte sie die Schuld nicht und versteht nicht, wie man sie für den Selbstmord eines Mädchens verantwortlich machen kann, wenn dieses diese Entscheidung selbst getroffen hat, von daher wäre es sehr unüberzeugend gewesen, hätte sie sofort begriffen, was sie verursacht hat. Jedoch fällt es nunmal schwer mit jemandem eine Zeitlang zusammen zu sein, wenn jemand derartig aggressiv und abweisend ist wie Sara. Hierbei geht es nicht darum, dass ich ihre Gründe dazu nicht verstehen kann, sondern darum, dass sie so bis zum Ende des Buches bleibt; auf mich zumindest wirkt es nicht so, als täte es ihr Leid, obwohl sie auf einem guten Weg bis dahin ist.
Carmichael ist ihr bis dahin auch eine große Hilfe, weswegen ich ihn auch stolz als meinen Lieblingscharakter bezeichnen kann. Er ist definitiv sehr freundlich und der einzige, der Sara eine Chance gibt, sich trotz ihrer Vergangenheit zu beweisen, weswegen man ihn einfach bewundern muss. Ob eine Romanze zwischen den beiden nötig gewesen wäre, ist zwar fraglich, aber seine Anwesenheit in der Geschichte hat definitiv Vieles ins Positive gewendet und an vielen Stellen den Ernst der Lage entschärft.
Ansonsten ist es auch zu loben, dass die Autorin derartig viel mit Social Media gearbeitet hat, denn wenn wir ehrlich sind, so sind Seiten wie Facebook und Twitter wohl der Filter für Mobbing, Gossip und Beleidigungen. Denn im Internet hat natürlich jede eine große Klappe und traut sich Dinge, die er im sog. Real Life niemals getan hätte. Vor allem da diese Seiten immer wichtiger werden und man mittlerweile kaum Kontakte mit jemandem halten kann, ohne Social Media zu verwenden, ist es wahnsinnig gut gewesen, diese so intensiv in die Geschichte einzuflechten. Eventuell können so auch einige Augenpaare geöffnet werden und die Erkenntnis gewonnen werden, dass man eher auf die Welt außerhalb des Internets achten sollte als auf die Pinnwände seiner Facebook-Freunde.
Was dem Buch jedoch nicht gut getan hat, ist der eher typische Verlauf der Geschichte und die gewählte Art und Weise, Vergangenheit und Gegenwart zu verknüpfen. Natürlich machen die Charaktere und die Botschaft der Autorin die Geschichte etwas anders, jedoch ist das Sonstige Gang und Gebe: Stückchenweise erfährt man durch Flashbacks, wie es zu dem Selbstmord kommen konnte, während Sara in der Gegenwart ihrem alten Leben nachtrauert, versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen, und immer wieder ihre Anwältin und Therapeutin besucht. Hierbei hat es mich vor allem negativ überrascht, wie hilflos hingeklatscht das Ende der Geschichte gewesen ist. Beinahe so, als hätte die Autorin auf die entscheidende Szene hingearbeitet und hätte sich danach überhaupt keine Mühe mehr gegeben, denn im Gegensatz zu vielen anderen habe ich das Ende sichtlich nicht genossen. Vor allem deswegen, da mir dies gezeigt hat, dass Sara immer noch nicht begriffen hat, wer ihre beste Freundin eigentlich gewesen ist. Sie ist kein Genie, natürlich, und ich habe auch nicht die Erwartung an ein junges Mädchen, jedes Detail zu psychoanalysieren, aber es hat insgesamt einen Großteil des Buches für mich ruiniert.
Alles in allem ein Roman voller guter Absichten und voller neuer Ansichten, der vor allem das Schubladendenken der Menschen kritisiert und eine Vielfalt an tiefgründigen Charakteren bereitstellt, jedoch aufgrund der Umsetzung nicht mehr ist als durchschnittlich. Kein innovativer Verlauf der Geschichte, kein Schreibstil, der einen vom Hocker haut, und auch der Mangel an Sympathieträgern haben die wunderbaren Intentionen dieses Buches leider etwas zunichte gemacht. Insgesamt jedoch nicht zu verachten und ein Roman, der einen nicht so schnell loslassen könnte, vor allem aufgrund der bedrückenden Atmosphäre.
So jedoch erfahren die Leser Vieles über Sara, die das Opfer ihrer eigenen Unsicherheiten und Leichtgläubigkeit geworden ist und letztlich auch Emma das Opfer derer werden ließ. Man darf mich nicht falsch verstehen, dies alles aus ihrer Perspektive - der Perspektive eines Mobbers - zu verfassen ist ein sehr gut gemeinter Versuch, und Amanda Maciel enttäuscht einen definitiv nicht mit Saras Charakter, ihrem familiärem Hintergrund oder ihrem Gefühlszustand. Ganz im Gegenteil, man kann sich sehr gut in sie hineinversetzen und kann sogar ihre Entscheidung, Emma das Leben zur Hölle zu machen, nachvollziehen, ja, man bemitleidet sie an vielen Stellen sogar, aber dennoch hätte es mir persönlich eher gefallen, hätten wir über Brielles Schulter hinweg die Geschichte mitverfolgen können. Diese bleibt nämlich das gesamte Buch über ein Geheimnis. Man weiß, dass sie sich hinter einer Maske versteckt und dass sie innerlich wohl auch sehr unsicher sein muss, aber über ihr Motiv für das Quälen anderer oder für ihr Verhalten gegenüber Sara erfährt man relativ wenig. Von daher hätte das Buch wesentlich besser sein können, hätte Amanda Maciel sich auf Brielle fokussiert und hätten wir in ihren Kopf schauen können. So hätte man auch ihren Charakter als viel weniger flach empfunden, denn in dieser Form könnte sie durch jedes andere Mean Girl ersetzt werden.
Im Gegensatz zu Brielle jedoch sind die Charaktere sehr vielschichtig gestaltet und nahezu keinen kann man selbst am Ende des Buches tatsächlich beurteilen. Und dies ist etwas, wofür ich die Autorin wirklich bewundere: Sie hat es geschafft, dass man weder auf der Seite der Täter noch auf der Seite des Opfers stehen kann, denn sie alle besitzen ihre Fehler und Makel, verhalten sich oftmals naiv und inkonsequent, haben jedoch auch ihre Momente, in denen sie fürsorglich, treu und ehrlich sind. Sie alle machen im Laufe des Buches schreckliche Dinge, sind verzweifelt, leicht zu manipulieren, und wissen sich nicht zu helfen. Sie sind einfach menschlich, gebrochen, auf dem Weg zur Selbstfindung, und genau deswegen erschien das Buch so unheimlich realistisch. Abgesehen von Brielle, Carmichael und Saras Brüdern hat man das gesamte Buch über Probleme damit, jemals einen Charakter in die Schubladen 'Mag ich' und 'Mag ich nicht' zu stopfen, was mir selbst auch vor Augen geführt hat, dass wir selbst beim Lesen ein Schubladendenken besitzen. Und auch wenn man natürlich Charaktere bevorzugt, die keine dummen Entscheidungen treffen und sich nicht das Leben zerstören, zu Tease hat es aufgrund der Thematik gepasst.
Denn ab welchem Grad kann man behaupten, noch unschuldig zu sein und nicht zu dem Selbstmord eines Menschen beigetragen zu haben? Trägt man nicht immer dazu bei, wenn man nicht einschreitet? Müssten nicht alle Schüler und Menschen, mit denen Emma zu tun hatte, einen eigenen Prozess bekommen, weil sie alle in gewisser Weise - sei es passiv oder aktiv - zu ihrem Selbstmord geführt haben? Und inwiefern kann man das Opfer dann wirklich als Opfer beschreiben? Sind sie wirklich unschuldig und haben nichts getan, was sie in den Augen anderer weniger wert macht?
In Das wirst du bereuen ist es nämlich durchaus so, dass Emma kein Unschuldslamm ist. Natürlich, geredet und gelästert wird immer, aber ein Funken Wahrheit scheint immerhin in dem zu sein, dass sie relativ schnell ihre Aufmerksamkeit auf verschiedene Jungs lenkt. Da dies eine Seltenheit in den vielen Jugendbüchern ist, in denen es um Mobbing geht - in denen die Opfer nichts getan haben und alles sich nur auf Gerüchten aufbaut -, hat Amanda Maciel großen Mut bewiesen, Mobbing von beiden Seiten darzustellen. Natürlich, dass, was die Mobber tun, ist weder rechtlich noch moralisch vertretbar, aber die Art und Weise, wie die Medien damit umgehen, zeigen genau das Schubladendenken, das Amanda Maciel in diesem Roman nahezu unmöglich macht. Die Täter sind die Bösen, die bestraft werden müssen, die Reue zeigen und in den Boden gestampft werden müssen, während die Opfer zu Heiligen erhoben werden, sich auf sozialen Netzwerken Stimmen erheben, die diese Person ,,Engel'' nennen und ihr Frieden wünschen. So war es auch im Fall von Amanda Todd, obwohl das Mädchen definitiv dazu beigetragen hat, so behandelt zu werden. Sie hat einige wirklich dumme Dinge gemacht, die zu dieser Kettenreaktion geführt haben. Sie zu mobben und auszuschließen, anstatt ihr zu helfen, ist natürlich asozial, aber man sollte niemals vergessen, dass das Opfer ebenso wenig einseitig zu betrachten ist wie die Mobber. Ein Grund, warum ich dieses Buch hier sehr mochte, denn genau das prangert es an und genau das ist auch richtig so.
Nichtsdestotrotz stellt es sich als schwer heraus, eine Geschichte mitgerissen zu verfolgen, wenn man nur mit wenigen Menschen sympathisieren kann. Insbesondere bei Sara hat man Schwierigkeiten, mit ihrem Verdrängungsprozess klarzukommen. Natürlich möchte sie die Schuld nicht und versteht nicht, wie man sie für den Selbstmord eines Mädchens verantwortlich machen kann, wenn dieses diese Entscheidung selbst getroffen hat, von daher wäre es sehr unüberzeugend gewesen, hätte sie sofort begriffen, was sie verursacht hat. Jedoch fällt es nunmal schwer mit jemandem eine Zeitlang zusammen zu sein, wenn jemand derartig aggressiv und abweisend ist wie Sara. Hierbei geht es nicht darum, dass ich ihre Gründe dazu nicht verstehen kann, sondern darum, dass sie so bis zum Ende des Buches bleibt; auf mich zumindest wirkt es nicht so, als täte es ihr Leid, obwohl sie auf einem guten Weg bis dahin ist.
Carmichael ist ihr bis dahin auch eine große Hilfe, weswegen ich ihn auch stolz als meinen Lieblingscharakter bezeichnen kann. Er ist definitiv sehr freundlich und der einzige, der Sara eine Chance gibt, sich trotz ihrer Vergangenheit zu beweisen, weswegen man ihn einfach bewundern muss. Ob eine Romanze zwischen den beiden nötig gewesen wäre, ist zwar fraglich, aber seine Anwesenheit in der Geschichte hat definitiv Vieles ins Positive gewendet und an vielen Stellen den Ernst der Lage entschärft.
Ansonsten ist es auch zu loben, dass die Autorin derartig viel mit Social Media gearbeitet hat, denn wenn wir ehrlich sind, so sind Seiten wie Facebook und Twitter wohl der Filter für Mobbing, Gossip und Beleidigungen. Denn im Internet hat natürlich jede eine große Klappe und traut sich Dinge, die er im sog. Real Life niemals getan hätte. Vor allem da diese Seiten immer wichtiger werden und man mittlerweile kaum Kontakte mit jemandem halten kann, ohne Social Media zu verwenden, ist es wahnsinnig gut gewesen, diese so intensiv in die Geschichte einzuflechten. Eventuell können so auch einige Augenpaare geöffnet werden und die Erkenntnis gewonnen werden, dass man eher auf die Welt außerhalb des Internets achten sollte als auf die Pinnwände seiner Facebook-Freunde.
Was dem Buch jedoch nicht gut getan hat, ist der eher typische Verlauf der Geschichte und die gewählte Art und Weise, Vergangenheit und Gegenwart zu verknüpfen. Natürlich machen die Charaktere und die Botschaft der Autorin die Geschichte etwas anders, jedoch ist das Sonstige Gang und Gebe: Stückchenweise erfährt man durch Flashbacks, wie es zu dem Selbstmord kommen konnte, während Sara in der Gegenwart ihrem alten Leben nachtrauert, versucht, sich eine neue Existenz aufzubauen, und immer wieder ihre Anwältin und Therapeutin besucht. Hierbei hat es mich vor allem negativ überrascht, wie hilflos hingeklatscht das Ende der Geschichte gewesen ist. Beinahe so, als hätte die Autorin auf die entscheidende Szene hingearbeitet und hätte sich danach überhaupt keine Mühe mehr gegeben, denn im Gegensatz zu vielen anderen habe ich das Ende sichtlich nicht genossen. Vor allem deswegen, da mir dies gezeigt hat, dass Sara immer noch nicht begriffen hat, wer ihre beste Freundin eigentlich gewesen ist. Sie ist kein Genie, natürlich, und ich habe auch nicht die Erwartung an ein junges Mädchen, jedes Detail zu psychoanalysieren, aber es hat insgesamt einen Großteil des Buches für mich ruiniert.
Alles in allem ein Roman voller guter Absichten und voller neuer Ansichten, der vor allem das Schubladendenken der Menschen kritisiert und eine Vielfalt an tiefgründigen Charakteren bereitstellt, jedoch aufgrund der Umsetzung nicht mehr ist als durchschnittlich. Kein innovativer Verlauf der Geschichte, kein Schreibstil, der einen vom Hocker haut, und auch der Mangel an Sympathieträgern haben die wunderbaren Intentionen dieses Buches leider etwas zunichte gemacht. Insgesamt jedoch nicht zu verachten und ein Roman, der einen nicht so schnell loslassen könnte, vor allem aufgrund der bedrückenden Atmosphäre.
Ich gebe dem Buch:
♥♥♥.♥ Herzchen
Extra:
Diesmal gibt es als Extra keine Buchinfos, sondern nur ein kleines, aber sehr schönes Lied von einer der besten Bands überhaupt (Our Last Night), um allen, die sich alleine fühlen, eine große Umarmung zu geben und euch zu sagen: Ihr seid niemals allein! <3
Our Last Night - Sunrise
Our Last Night - Sunrise
CU
Sana
Sana
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