Samstag, 4. Juli 2015

:)Rezension:): Die letzte Welt

Grundwissen:


Titel: Die letzte Welt
Autor/-in: Christoph Ransmayr
Erschienen: 1.04.1991 im Fischer-FJB-Verlag; erstmals 1988 in Enzensbergers Die Andere Bibiliothek
Seitenanzahl: 288 Seiten ohne Ovidisches Repertoire
Preis: 9, 95 € (Taschenbuch); 9, 99 € (Kindle); 19, 90 € (Hardcover) [Quelle: Amazon.de)
Genre: Historical Fiction; Mindfuck; Adult





Inhalt:


Es war, als hätte er nach und nach alles, was er zu sagen und zu schreiben imstande war, in das Reich seiner Dichtungen verlegt, in die gebundene Rede oder eine vollendete Prosa und wäre darüber in der Welt der Alltagssprache, des Dialektes, der Schreie und gebrochenen Sätze und Phrasen verstummt. - S. 53

Der römische Bürger Cotta bricht in die am Schwarzen Meer gelegene Provinzstadt Tomi auf, um dort nach dem Dichter Ovid und einer letzten Fassung von dessen Hauptwerk, den Metamorphosen, zu suchen. Die graue Stadt am Rande des römischen Reichs, deren Bewohner von der Eisengewinnung leben, ist ein Ort des Verfalls, der von Überschwemmungen und Erosionen heimgesucht wird. An diesen Ort war Ovid wegen einer gesellschaftskritischen Rede und seines als staatsfeindlich eingestuften Werks vom Imperator Augustus verbannt worden. Vor seiner Abreise hatte der Dichter die Manuskripte seiner Metamorphosen verbrannt; er selbst soll Gerüchten zufolge inzwischen verstorben sein. Einige Stofffetzen, die Cotta in der Umgebung von Tomi findet, bestärken diesen jedoch in der Vermutung, dass Ovid noch am Leben sei oder zumindest in der Verbannung an seinem Werk weitergearbeitet habe. Pythagoras, Ovids ehemaliger Diener, führt Cotta zu einem Platz mit Steinmonumenten, in denen die Schlussverse der Metamorphosen eingraviert sind. Von der schönen, aber an Schuppenflecken leidenden Echo erfährt Cotta von Ovids Projekt eines Buchs der Steine, in dem sich das Ende der Welt ankündige, und in den Teppichen der taubstummen Weberin Arachne finden sich weitere Motive von Ovids Erzählungen. Mit den Bewohnern von Tomi gehen unterdessen Verwandlungen vor sich, sie versteinern oder verwandeln sich in Tiere; die Stadt selbst wird nach und nach von Pflanzen überwuchert.



*Quelle: amazon.de





Meine Meinung ...





zum Cover:


Deutsches Cover Nr. 1 : ♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥



Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥

Leider kann man mit den wenigstens Ausgaben dieses Werkes etwas anfangen. Bei dem ersten amerikanischen Cover habe ich noch nicht mal eine Ahnung, was dort eigentlich dargestellt ist, und bei dem zweiten wird man auch eher an ein Sachbuch über Moderne Kunst oder Ähnliches erinnert, vor allem da ich den Bezug zum Buch einfach nur in der Natur sehe, die sehr ausführlich beschrieben wird.
Das deutsche Cover wirkt sehr trist und eintönig, jedoch kann man mit der Darstellung dort etwas mehr anfangen, auch wenn man das Motiv erst nach langer Zeit erkennt: ein Stofffetzen. Zwar schwer zu erkennen, aber wohl die Intention dahinter.
Die Titel passen jedoch einigermaßen gut, da das Setting dieses Romans, Tomi, wirklich der albtraumhafteste Ort ist, den man sich als Heimat vorstellen kann.
Insgesamt sticht dieses Buch nicht gerade durch seine Schönheit heraus.





zum Buch:




Doch wie sieht es mit dem Inhalt aus? Christoph Ransmayr gehört zu den beliebtesten Autoren des Postmodernen Erzählens und wurde schon vielfach mit Literaturpreisen ausgezeichnet, darunter der Bertolt-Brecht-Literaturpreis der Stadt Augsburg und  dem europäischen Literaturpreis Prix Aristeion. Folglich muss er etwas ganz Besonderes an sich haben, auch wenn er wohl nur erwachsenden und älteren Lesern bekannt sein dürfte; ich zumindest habe ihn vor dem Lesen dieses Buches für ein noch anstehendes Referat nicht gelesen.
Dennoch kann ich vielen Stimmen, die ihn für seine Werke, das letzte mit dem Titel Atlas eines ängstlichen Mannes, loben, zustimmen. Auszeichnen tut sich Ransmayr nämlich mit der Originalität und der Komplexität seiner Geschichte, die sich vor allem in seinem poetischen und außergewöhnlichen Schreibstil widerspiegelt. Lange Zeit ist es her, seit ich so gefesselt war vom Schreibstil eines Autors, denn nicht nur beschreibt er Landschaften und deren kleine, nahezu unsichtbare Details auf wunderbare Weise, sondern scheut sich auch nicht vor ekelhaften Beschreibungen, beispielsweise das Absterben von Schnecken durch das Ansprühen dieser durch Säure. Dass es dem Autor so gut gelingt, Tomi darzustellen und es trotz der dort vorherrschenden Langeweile und Merkwürdigkeiten als einen wundersamen und lebhaften Ort zu beschreiben, ist einfach ein Kunststück, ebenso wie er es schafft, dass der Leser trotz der geschaffenen Verwirrung in den Zeilen dennoch nicht zu lesen aufhören kann. Es passiert wahrlich nicht viel in diesem Roman, aber dennoch ist man ebenso erpicht wie Cotta, etwas über das Schicksal des geheimnisvollen Ovids herauszufinden und dabei, ebenso wie der Protagonist, das Gefühl für Raum und Zeit vollständig zu verlieren. Beispielsweise ist es so, dass dies zu Zeiten des Imperators Augustus spielt, jedoch gleichzeitig von Filmen und Episkopen die Rede ist, die es zu damaliger Zeit natürlich nicht gegeben hat. Aus diesem Grund fühlt man sich wie in einem merkwürdigen Paralleluniversum, aus dem es kein Entrinnen gibt und dass einen trotz all dieser Wirrungen immer tiefer in seinen Bann zieht. Außerdem sind die Skizzierungen der Charaktere wirklich überzeugend, obwohl Fiktion und Realität miteinander verschwimmen. So ist es so, dass alle Charaktere dieses Romans Namen mythologischer Figuren tragen und auch gewisse Eigenschaften von diesen übernommen haben. Zum Beispiel ist die in dem Klappentext erwähnte Echo im Buch eine Frau mit einer seltsamen Schuppenerkrankung und kann nur die letzten Worte wiederholen, die ein Mensch ihr sagt (deswegen auch ihr Name), während sie in der Mythologie eine Nymphe darstellt, die von Iuno für ein Bündnis mit ihrem Mann Iupitter eben damit bestraft wurde. Diese Neuauflegung solch alter Figuren ist wirklich interessant, weswegen man dem Autoren definitiv nicht vorwerfen kann, stereotypische Charaktere agieren zu lassen.
Leider kann man auch nicht behaupten, dass man eine besonders enge Beziehung zu den Figuren aufbaut, denn derjenige, der im Zentrum steht, ist Publius Ovidius Naso bzw. Ovid, ohne ein einziges Mal überhaupt in Erscheinung zu treten. Es richtet sich dennoch die gesamte Geschichte auf ihn, sodass er so etwas wie eine allmächtige Präsenz erlangt und folglich etwas Gottähnliches besitzt. Cotta selbst und auch die anderen Einwohner Tomis sind fast nur Randerscheinungen, die nur selten in den Mittelpunkt eines Kapitels gerückt werden. Man bekommt zwar einen deutlichen Überblick über das langweilige Leben in Tomi, das nur manchmal durch surreale Ereignisse unterbrochen wird, und es gibt auch schwere Schicksalsschläge, die einzelne Individuen wegstecken müssen, jedoch genügt die Verbindung, die man zu diesen Menschen aufbaut, nicht, um sich ihnen nahe zu fühlen. Bezieht man dies auf das Verschwimmen von Realem und Surrealem, so ist dies natürlich kein Wunder, aber genau aus diesem Grund können es auch nicht die Figuren sein, die einen fesseln. Cotta selbst hätte jeder x-beliebige Ovid-Liebhaber sein können, denn er tut das gesamte Buch über nichts, als nach diesen merkwürdigen Stofffetzen zu suchen und hinter das Geheimnis der Metarmophosen zu kommen, ansonsten erfährt man so gut wie nichts über ihn oder sein Persönlichkeit. Alles in diesem Roman wirkt aus diesem Grund trotz des fesselnden und einnehmenden Schreibstils sehr passiv.
Nachklingen tut dies natürlich in der Handlung, die relativ dünn ist und an manchen Stellen des Romans auch einfach nicht da ist. Zwar gibt es einige überraschende Wendungen, verschollene Personen tauchen auf, es gibt merkwürdige Halluzinationen und Träume von Cotta, es wird über Tomi erzählt und über Ovids Weg bis zu der ,,eisernen Stadt'' informiert, aber man hat das Gefühl, es befände sich alles in einem Vakuum, weil es keinerlei nennenswerte Entwicklungen im Fall Ovid gibt. Zwar ist er allgegenwärtig und prägt die Stimmung in diesem Buch, er ist das Geheimnis, das gelüftet werden muss, aber irgendwann zieht sich das Ganze einfach nur in die Länge und man möchte endlich wissen, was hier überhaupt passiert. Tomi und Cotta verändern sich zwar, aber es gibt in diesem Haupthandlungsstrang - Ovid und sein letztes Werk - einfach wenig, was weitergespinnt wird. Stattdessen lernt man lauter komische Menschen kennen und fühlt sich vollkommen orientierungslos in diesem Roman, weil man nur weiß, wo diese Geschichte spielt, ansonsten jedoch der Leitfaden der Geschichte immer mehr verloren geht und man auch zunehmend ungeduldig und verwirrt wird. Manchmal sind solche Mindfuck-Momente, in denen etwas vollkommen Unerwartetes geschieht und in denen man sich nicht sicher ist, ob das Erlebte nun real ist oder nicht, wirklich schön und einnehmend, aber da der Autor wirklich nichts erklärt und die gesamte Lage den Leser verwirrt, kann man das alles nicht mehr genießen, auch wenn man es normalerweise recht gern mag.
Natürlich trägt all diese Verwirrung auch nicht zur Spannung des Buches bei. Wie auch bei Franz Kafkas Prozess kommt die Handlung einfach nicht voran, sodass man mehrere Kapitel des Buches auch hätte tauschen können, es wäre letztlich genauso viel geschehen wie in der vorherigen Reihenfolge. Bei diesem deutschen Autoren ist dies zwar noch extremer, jedoch ist es nie schön, wenn man Seite nach Seite umblättert und bei jedem neuen Absatz hofft, dass endlich etwas geschehen wird. Stattdessen ist alles träge und genauso quälend wie die gerade hier vorherrschende Sommerhitze von 40 C° im Schatten: man wartet einfach nur ab und hofft auf einen Regenguss, obwohl man nur ab und an mal einen kleinen Windhauch bekommt. So in etwa fühlt sich das Lesen dieses Buches an, in dem bis auf die letzten Kapitel keine zusammenhängende Handlung dargelegt wird.
Zum Ende hin gewinnt dieses Buch auch ein wenig ein Fahrt aufgrund einiger Geheimnisse, die aufgedeckt werden, und vor allem wegen der Auflösung, die der Autor gewählt hat. Es bleiben zwar viele Ansätze zur Interpretation dieses Endes und man wird bestimmt nicht mit einem Gefühl des Verständnisses dieses Buch beenden, aber es ist auf jeden Fall eine sehr nette Idee, die einen doch sprachlos machen kann.




Alles in allem ein Buch, von dem man nicht recht weiß, was man davon halten soll. Alleine aufgrund des Schreibstils und dem Aufgreifen von der Suche nach dem geheimnisvollen Ovid ist es ein Meisterwerk an sich, jedoch kann nicht ignoriert werden, dass sich die Handlung einfach im Kreis dreht beziehungsweise an manchen Stellen nicht existent ist. Man ist am Ende des Buches nur leicht schlauer als am Anfang des Ganzen und kann sich zudem nur schwer auf all dies einlassen, weil man keinen Sympathieträger hat, mit dem man hätte mitfiebern können und es auch nicht möglich ist, sich in dieser verworrenen Welt tatsächlich wohlzufühlen. Dennoch besitzt Ransmayr einige interessante Interpretationsansätze über Ovid, die man sich als Freund dieses Dichters auf jeden Fall ansehen sollte. Wer sich hiervon jedoch eine unterhaltsame und abwechslungsreiche Darstellung erwartet, der wird wohl enttäuscht sein. Einnehmend und abschreckend zugleich.





Ich gebe dem Buch:


♥♥♥ Herzchen





Extra:


Hier geht es zur offiziellen Internetseite des österreichischen Autoren.


CU
Sana

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