Dienstag, 20. Oktober 2015

:)Rezension:): Heinrich von Ofterdingen

Grundwissen:


Titel: Heinrich von Ofterdingen 
Autor/in: Novalis
Erschienen: 2007 im Suhrkamp-Verlag; 1987 im Reclam-Verlag; erstmals 1802
Seitenanzahl: 173 Seiten ohne Anhang und Kommentar
Preis: 6, 00 € (Taschenbuch; Reclam); 7, 00 € (Taschenbuch; Suhrkamp)
Genre: Historical Fiction; Drama; Romance





Inhalt:


Es ist nicht die Krone und das Reich, was einen König macht. Es ist jenes volle, überfließende Gefühl der Glückseligkeit, der Sättigung mit irdischen Gütern, jenes Gefühl der überschwänglichen Gnüge. - S. 44


Schon seit einigen Tagen wird der junge Dichter Heinrich von Träumen heimgesucht. Jedoch sind es keine Albträume, auch wenn sie ihn kaum schlafen lassen. Nein, er träumt schon seit längerer Zeit von der Suche nach einer Blauen Blume, in dessen Kelch er das Gesicht eines ihm unbekannten Mädchens erblickt. Dies beschäftigt ihn derart, dass er sich vor allen zu verschließen beginnt. Besorgt um ihren Sohn beschließt seine Mutter, mit ihm zu ihrem Vater zu reisen, da sie so hofft, er, der niemals andere Städte außer seiner kennengelernt hat, würde etwas mehr in die Realität zurückfinden. Doch diese Reise konfrontiert Heinrich mit allem, was das Leben zu bieten hat: Liebe und Glückseligkeit, jedoch auch Verlust und Schmerz.






Meine Meinung ...





zum Cover:



Englisches Cover Nr. 1: ♥♥♥♥
Deutsches Cover Nr. 1: ♥♥



















Deutsches Cover Nr. 2: ♥♥
Englisches Cover Nr. 2: ♥♥♥




















Wie faszinierend es immer wieder ist, sich Aufmachungen eines alten deutschen Buches im Ausland anzusehen, weil sie dort oftmals eine schönere Gestaltung besitzen als in Deutschland. Man vergleiche bloß die deutschen Cover, die entweder eine Zeichnung des Autoren selbst oder irgendein merkwürdiges und unklares Bild zeigen, mit den englischen Covern. Zwar unterscheidet sich das zweite von diesen nicht sonderlich von dem deutschen mit Novalis' Gestalt darauf, jedoch muss man sich einfach die erste englische Aufmachung ansehen. Diese Schlichtheit in Verbindung mit der Blauen Blume, die ein zentrales Motiv der Erzählung ist, lassen das Buch einfach wunderbar aussehen. Genau so sollte ein Klassiker im Regal aussehen!
Passend in allen Fällen ist jedoch der Titel, da es sich ja um Heinrich und den großen Wendepunkt in seinem Leben dreht.





zum Buch:





Die literarische Epoche der Romantik wird manchmal gerne als eine Art Höhepunkt in der deutschen Literatur bezeichnet, denn entgegen vielen anderen Epochen hält die Romantik sowohl sehr viel Düsternis und Mystisches, jedoch auch Philosophisches und Lebensbejahendes bereit und bildet somit vielleicht die größten Kontraste in sich selbst. Aus diesem Grund ist Heinrich von Ofterdingen auch ein sehr gutes Beispiel, um die gesamte Bandbreite dieser Epoche zu begreifen, denn man findet garantiert selten in einem Buch so viele Lebensweisheiten und verschiedene Ansichten auf gewisse Themen wie die Liebe, das Leben und vor allem die Poesie wie in diesem fragmentarischen Werk Novalis'. Dieser legt nämlich sehr viel Wert darauf, diese Themen in all ihren Facetten zu beleuchten und berührt somit nicht nur die Herzen von Hobbyphilosophen, sondern auch von Leuten, die selbst gerne schreiben und dabei ähnliche Themen aufgreifen wie der Autor hier. Kombiniert mit seinem sehr schönen Schreibstil, der sehr verträumt und voller Detailverliebtheit daherkommt und einen in diese mittelalterliche, aber doch fantasievolle und etwas paradoxe Welt entführt, ist dies sehr packend und berührend. Novalis zeigt wirklich, dass er der geborene Romantiker ist, indem er eine Geschichte über einen Dichter schreibt, und somit Märchen, Volkslieder und Gedichte in die Geschichte selbst eingestreut werden. Die meisten von ihnen besitzen eine sehr schöne Moral und werden mit Sicherheit nicht nur mich dazu gebracht haben, Papier und Stift zu zücken und sich bestimmte Zitate zu notieren. Vor allem das Weinlied, das auf dem Fest in Augsburg gesungen wird, erzählt so viele Wahrheiten über das Leben und wie man es nutzen sollte, solange man noch jung ist. Aus diesem Grund dürften sich vor allem jüngere Menschen, die noch nicht weit herumgekommen sind und sich eher in Zurückhaltung wiegen, mit Heinrich identifizieren, da er bloß durch die Reise das Leben erstmals kennenlernt und so auch die Poesie langsam verinnerlicht und begreift. Insofern bieten sich wirklich sehr viele Perspektiven, die einem selbst eventuell die Augen aufmachen könnten, sodass man sich ebenso weiterentwickelt wie Heinrich es tut.
Dadurch gewinnt dieses Fragment auch an Emotionalität, weil man während der Charakterentwicklung Heinrichs gemeinsam mit ihm erlebt, wie wohltuend es sein kann, aus dem grauen Alltag auszubrechen und sich in neue Gebiete zu wagen, egal ob geographisch oder seelisch. Aufgrund seines schüchternen und nachdenklichen Charakters bekommt man das Gefühl, ein Kind an der Hand festzuhalten, während es seine ersten Schritte in die Welt tut, und sich gemeinsam mit ihm freut oder gemeinsam mit ihm leidet, denn so viele Märchen auch erzählt werden, Novalis hat doch deutlich gemacht, dass das Leben auch alles andere als märchenhaft verlaufen kann. Somit erlebt man einen großen Wechsel an Emotionen, der einen mitreißt und den man wirklich spüren kann, auch, da der Schreibstil Novalis' sich mit zunehmender Traurigkeit und Tragik verändert, es dabei aber immer noch schafft, nicht zu depressiv rüberzukommen, sondern immer noch eine gewisse Schönheit zu beherbergen. Insofern gibt es wenig äußere Handlung, da Heinrich hauptsächlich durch die Gegend stapft, Menschen kennenlernt und sich mit ihnen über besagte Themen unterhält, jedoch einen großen inneren Wandel, den Heinrich vollzieht, um am Ende zu verstehen, dass man sozusagen nach jedem tiefen und schmerzhaften Einschnitt ins Leben wiedergeboren wird und die Chance hat, neu zu beginnen. Diese trotz allem optimistische Einstellung bildet einen schönen Abschluss für das Buch, auch wenn sie manchmal durchzogen ist von Melancholie und dem typisch romantischen Merkmal der Sehnsucht.
Von daher bietet dieses Buch einem wirklich eine Menge an Philosophie und Weisheit, ab und an unterbrochen durch sehr schöne Produkte der Poesie, die einen entweder zum bestätigenden Nicken oder zum Lachen bringen können. Doch hier erschleicht sich dasselbe Problem wie bei der Herr-der-Ringe-Trilogie Tolkiens: Es ist sehr detailreich und liebevoll gestaltet, es erzählt von der Reise namens Leben, allerdings gibt es abgesehen von diesem nachdenklichen Charakter nicht viel, was das Buch zu bieten hat. Menschen, die gerne denken und Wertbegriffe für sich selbst definieren, wird es wohl sehr zusprechen, jedoch bleibt man im Laufe des Buches kaum mehr am Ball, weil es sehr wenig äußere Handlung gibt. Langeweile ist daher also eventuell vorprogrammiert, insbesondere wenn Novalis ins Schnulzige abdriftet. Wie schon erwähnt, geht es in diesem fragmentarischen Werk auch um die Liebe, und wie es damals eben üblich war für Romantiker, gibt es sehr viel Zuckerguss, große Herzen, Liebe auf den ersten Blick und Heiraten auf das dritte Treffen. Es gibt ungelogen eine zwei Seiten lange Stelle, in der sich die Turteltäubchen in allen möglichen Varianten ihre Liebe schwören und dabei sehr viele Freudentränchen deren Wangen herunterkullern, sie sich in den Armen liegen, es niemanden sonst auf der Welt gibt und sie sich sicher sind, dass es noch nie jemanden gegeben hat, der sich genauso sehr geliebt hätte etc.. Sollte man auf diesen Typus Liebe stehen und es schnulzig mögen, so wird man hin und weg sein von diesen beiden, glaubt man jedoch daran, dass Liebe Zeit braucht, um zu wachsen, und dass es keinesfalls gesund ist, wenn man ,,nicht ohne seinen Geliebten sein kann'', dann wird man wohl doch eher die Augen verdrehen und sich fragen, wie lange sie noch dort rumstehen und das ,,Ich liebe dich - Ich liebe dich aber mehr''-Spiel in Mittelaltersprache-Form spielen werden. 
Hinzu kommt, dass man, selbst wenn man ein großer Liebhaber von Metaphorik und Allegorien sein sollte, vor allem bei Klingsohrs Märchen einfach nicht mitkommt. In diesem Falle verläuft sich Novalis in seinem eigenen Gedankenkonstrukt so sehr, dass bis heute nicht vollkommen entschlüsselt werden konnte, was einige Szenen aus jenem Märchen darstellen sollten. Hätte man als Leser keinen Anhang gehabt, in dem gewisse Textstellen erläutert werden, so wäre an dieser Stelle nichts als Kauderwelsch angekommen.
Zudem kann man eine sehr zwiegespaltene Meinung zu den Charakteren entwickeln, denn zum einen trifft man auf einige unterschiedliche Menschen, denen man mit Sicherheit nicht jeden Tag auf der Straße begegnet, und liest auch gerne über deren Geschichte, die sie oftmals im Anschluss erzählen. Allerdings hätte es nicht geschadet, wenn tatsächlich so etwas wie Beziehungen entstanden wären, denn innerhalb von nur ein oder zwei Tagen oder gar innerhalb einer einmaligen Begegnung lässt sich dies äußerst schwer gestalten. Jeder - außer natürlich den Frauen - hat eine gewisse belehrende Funktion für Heinrich, was prinzipiell zwar nicht schlecht ist, jedoch wenig Abwechslung reinbringt. Insbesondere, da diese Personen oftmals mehr Erfahrungen gesammelt haben als das unbeschriebene Blatt Heinrich wäre es sehr viel interessanter gewesen, mehr über jene Burschen zu erfahren, denn mit Heinrich allein als äußerst passiven Protagonisten kann man wenig anfangen. Zwar besitzt er etwas sehr Kindliches, und man verspürt schon den Drang, ihm in gewisser Weise in der Geschichte beizustehen, aber es dauert doch eine relativ lange Zeit, bis sich der Junge traut, über seinen eigenen Schatten zu springen und sich tatsächlich verändert. Bis dahin hat etwas sehr Fragiles, was manch einen Leser auch aufregen könnte.




Trotz einiger durchwachsener Stellen und einer ab und an übertriebenen Metaphorik und Symbolik kann man diesem fragmentarischen Roman doch Vieles abgewinnen, insbesondere wenn man interessiert an Literatur, Dichtung oder Philosophie allgemein ist. Vor allem die vielen kleinen Einstreueungen in Form von Gedichten und Märchen sind wirklich sehr schön platziert und bieten einem Abwechslung in der Geschichte selbst, da diese sehr linear verläuft und von all den Gedankengängen und tiefgründigen Gesprächen abgesehen nicht sonderlich spannend ist. Vielleicht insbesondere etwas für Menschen, die sich selbst ein wenig in Heinrich widergespiegelt sehen und einen Anreiz finden wollen, mal aus ihrem Schneckenhaus hervorzukriechen, und vor allem etwas für die Poeten unter uns!






Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen (3.83)





Extra:


Eine kleinen Inhaltsangabe in lustigem Stil könnt ihr ansehen, wenn ihr hier klickt!


CU
Sana

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