Dienstag, 2. Mai 2017

:)Rezension:): Das Phantom der Oper

Grundwissen:


Titel: Das Phantom der Oper bzw. Das Geheimnis des Opernhauses (original: Le Fantome de l'Opéra)
Autor/-in: Gaston Leroux
Erschienen: 1928 (unter dem Titel Das Geheimnis des Opernhauses) im Ullstein-Verlag; 1999 im dtv-Verlag (Taschenbuch); 2012 im Nikol-Verlag (Hardcover); 2015 (Neuauflage mit dem Titel Das Phantom der Oper) im Anaconda-Verlag (Hardcover); original 1910
Seitenanzahl: 352 Seiten (Nikol-Verlag + dtv-Verlag); 319 Seiten (Anaconda-Ausgabe)
Preis: von 0, 49 € bis zu 6, 99 € (Hardcover; Taschenbuch) [Quelle: amazon.de]
Genre: Klassiker; Grusel; Romance; Mystery




Inhalt:


,,Es ist sehr schwer [...] sich in einem Grab lieben zu lassen.'' - Christine Daaé (S. 164)



In den 1880er Jahren ist die Opéra Garnier ein Schauplatz der Mysterien. Davon müssen sich auch die zwei neuen Direktoren überzeugen, denn schon bald verlangt ein Fremder nach einer großen Summe an Geld und der Reservierung der Loge Nummer 5, obwohl er sie nie besetzt. Als wäre das nicht merkwürdig genug, brilliert auch die bisher eher unbekannte Sängerin Christine Daaé auf einer Gala durch ihre engelsgleiche Stimme. Unter vorgehaltener Hand munkelt man, dass das legendäre Phantom der Oper dafür verantwortlich sei, doch dafür haben die beiden Herren nur ein Lachen übrig. Als Christines Jugendfreund Vicomte Raoul de Chagny sich jedoch dazu anschickt, die Sängerin um ihre Hand zu bitten, merkt er, dass die Legende realer ist als angenommen ...





Meine Meinung ...




zum Cover:




Englisches Cover: ♥♥♥♥♥
Deutsches Cover: ♥♥♥♥
Französisches Cover: ♥♥♥♥



Die Cover dieses Buches gleichen sich in vielerlei Hinsicht. Entweder es ist die Maske des berühmt-berüchtigsten Phantoms abgebildet, oder aber das Phantom und Christine Daaé, meistens dargestellt wie ein Liebespaar. Beides passt natürlich gut zur Geschichte, allerdings sind die Darstellungen mit seiner Maske passender als dasjenige mit den beiden angeblichen Liebenden. Denn auch wenn das Buch eindeutig wie eine Liebesgeschichte aufgezogen wird, es ist keine. Aus diesem Grund ist zum Beispiel das französische Cover akkurater als das deutsche, wenn es um Christine und das Phantom geht - denn dort sieht Christine alles andere als glücklich aus.
Insgesamt also echt schöne und häufig ganz unauffällige Verpackungen!




zum Buch:




Von Romeo & Julia, Stolz & Vorurteil, Tess und Sturmhöhe mal abgesehen hält Das Phantom der Oper wohl eine der bekanntesten Liebesgeschichten überhaupt bereit. In zahlreichen Theaterstücken, Verfilmungen und in Andrew Lloyd Webbers grandiosem Musical wird die Geschichte des mysteriösen Phantoms und seiner traurigen Beziehung zu der jungen und naiven Sängerin Christine erzählt, ebenso wie es zahlreiche Bücher angelehnt an Gaston Leroux' Werk hervorgebracht hat. Doch wie gut ist denn tatsächlich das Buch, auf dem all das basiert, das aber verhältnismäßig kaum einer kennt?
In einigen Aspekten sogar ziemlich. Was einen an die Geschichte bindet, ist nämlich vor allem das Setting, das einem fast wie ein magischer Ort erscheint. Zwar spart Leroux an einigen Details, was Bühnenbilder und Ähnliches angeht, allerdings ist die leicht mysteriöse Atmosphäre ziemlich einnehmend. Zum Teil liest sich der Roman an einigen Stellen wie ein humoristischer Krimi, da die beiden neuen Direktoren der Oper trotz all der Gegenbeweise die Existenz des Phantoms immer wieder ins Lächerliche ziehen und diejenigen, die daran glauben, oft als Trottel dastehen lassen. Daher muss man doch an einigen Stellen schmunzeln, vor allem weil man ahnen kann, dass das irgendwann böse enden wird. Der Autor zieht die Geschichte auf, als habe er jahrelang über das mysteriöse Phantom recherchiert, weswegen es sich an einigen Stellen liest wie ein spannender Bericht oder historischer Roman. Zwar ist diese Art des allwissenden Erzählers für diejenigen, die postmoderne Literatur lesen, etwas gewöhnungsbedürftig, verleiht der Geschichte aber eine gewisse Frische und angenehme Ernsthaftigkeit. Gepaart mit einem recht kitschigen Schreibstil, der vor allem bei Ortsbeschreibungen glänzen kann, also etwas, was einen das Buch schnell verschlingen lässt.
Genauso interessant ist die Beziehung zwischen dem Phantom und Christine selbst. Diejenigen, die es als Liebesgeschichte bezeichnen, liegen damit allerdings etwas daneben, da es keine Geschichte des Kalibers ,,Gutes Mädchen trifft bösen Jungen'' ist. Denn immer wieder wird herausgestellt, warum Christine sich nicht von ihm trennen kann, genauso wie häufig klarwird, dass die Liebe des Phantoms zu dieser Frau eindeutig über alle zu akzeptierenden Grenzen hinaus geht. Allerdings zeigen alle beide große Parallelen zu Figuren, die heutzutage sehr beliebt sind: Das Mädchen, das von einem Mann nicht gut behandelt wird, allerdings unter anderem wegen Mitleids ihm gegenüber bei ihm bleibt. Egal ob 1910 oder 2017, so etwas ist und wird immer ein Anzeichen von großer Naivität sein, doch der Unterschied ist, dass es im Phantom der Oper nicht romantisiert wird. Es ist eine Story über einen Besessenen, der sich nach Liebe verzehrt, weil es das Einzige ist, was ihm fehlt - das spiegelt sich auch in den Geschichten über Edward Cullen, Christian Grey oder Hardin Scott aus der heutigen Zeit wider. Was Gaston Leroux jedoch versteht, ist, dass man so trotzdem nicht seine Taten rechtfertigen kann, denn ja, das Phantom ist ein schlechter Mensch, und ja, es ist unmenschlich. Nicht mehr und nicht weniger. Dies bringt er vor allem durch seinen Protagonisten Raoul de Chagny rüber, der seine Jugendfreundin davon überzeugen will, das Phantom zu verlassen. Auch wenn zu wenige Szenen zwischen der Schönen und dem Biest wirklich gezeigt werden, sie sind trotzdem überzeugend und verleiten den Leser nicht dazu, am Verstand der beiden zu zweifeln dafür, dass sie aneinanderhängen. Im Gegenteil, man kann es verstehen und erachtet es nicht als krank oder absolut weltfremd.
Das liegt vor allem daran, dass beide Charaktere zu den bestgeschriebensten dieses Buches gehören. Sie sind immer noch nicht mehr als zweidimensional, jedoch haben beide eine interessante, berührende Hintergrundgeschichte, die ihre Taten erklärt und ihnen ein wenig Tiefe verleiht. Christine ist zwar kein sonderlich starker Charakter und generell ist kaum etwas besonders an ihr, funktionieren tut sie aber trotzdem. Im Laufe des Buches stellt sie auch infrage, wie vertrauenswürdig das Phantom wirklich ist und wie ihre Gefühle wirklich zu ihm stehen. Daher macht sie durchaus eine Entwicklung durch und zeigt dadurch, dass sie kein Hohlkopf ist, der sich einfach nur von Raoul retten lässt.
Schade ist, dass man nur wenig und äußerst spät über das Phantom erfährt. Trotzdem ist es ein sehr einnehmender Antagonist, da es über Leichen geht, um das zu bekommen, was es will, und auch nicht an Intelligenz einbüßt. An einigen Stellen ist es etwas zu sehr das personifizierte Böse und auch das Motiv eines Gehassten, der einfach nur nach Liebe sucht, ist nicht neu - aber klar und deutlich erfolgreich.
Laroux hätte sich aber einen sehr großen Gefallen getan, wenn er die Perspektive der Geschichte anders gewählt hätte. Größtenteils schaut man nämlich Raoul über die Schulter, der, egal wie jung und unerfahren er in Liebesdingen sein mag, einem einfach auf die Nerven geht. Auf den ersten Blick seit ein paar Jahren verliebt er sich in Christine und spioniert ihr aus Eifersucht hinterher, dringt in ihre Privatsphäre ein und beleidigt sie, da er anfangs denkt, sie habe ihm falsche Hoffnungen gemacht. Er kommt einem vor wie ein verwöhntes Kind, das schmollt, weil es ausnahmsweise mal nicht bekommt, was es will. Natürlich spielt er trotzdem die Stimme der Vernunft in dieser Situation, aber dieses Verhalten macht genau diese Eigenschaft an ihm - wie Christine sagt - echt unglaubwürdig. Es wäre viel interessanter gewesen, wenn man - wie auch in Andrew Lloyd Webbers Musical - die Perspektive Christines gehabt und Raoul zu einem Nebencharakter gemacht hätte. Selbstverständlich wäre dann der Mystery-Anteil der Geschichte kleiner geworden, aber gleichzeitig der Erzählanteil interessanterer Charaktere als eines jungen Lümmels, der nur dazu da ist, um in Christine Daaé verliebt zu sein.
Außerdem ist die Art des Erzählens an sich etwas gewöhnungsbedürftig. Bestimmt ist das bei anderen Übersetzungen anders, bei der Version allerdings, die von Rudolf Brettschneider bearbeitet wurde, finden sich auffallend viele Ausrufezeichen und dreifach hintereinanandergesetzte Punkte wieder. Ob dies im Original auch so ist? Wer Französisch kann, der finde es ruhig raus, allerdings wirkt das an einigen Stellen reichlich überzogen und zu betonend im jeweiligen Satz. Auch wenn man also die Wortwahl des Autors gernhat und die Sprache akkurat ist für das Jahrhundert, in dem es angesetzt ist, man hat doch Mühe, das großzügig zu übersehen.
Abgesehen davon ist der Teil, in dem sich Raoul endlich von der Existenz des Phantoms überzeugt, wesentlich spannender als derjenige, der sich mit den merkwürdigen Ereignissen in der Oper und den sturren Direktoren beschäftigt. Dort erfährt man nämlich mehr darüber, was mit Christine passiert und wie das Phantom seine Zeit verbringt, ebenso wie Christine und Raoul versuchen herauszufinden, wie sie ihr helfen können. Es entwickelt sich zu einem Versteckspiel und fast schon einem Tanz mit dem Teufel. Insbesondere der Showdown gegen Ende ist ziemlich spannend und bietet ein paar Überraschungen bereit, die vor allem durch die Nebenfigur des Persers zustandekommen. Man kann kaum aufhören zu lesen, lernt, dass das Phantom nicht nur große Reden schwingen kann, sondern wirklich gefährlich ist, und ist total gefangen darin. Schade ist nur, dass man als Leser nur in den letzten Seiten wirklich etwas Essenzielles über das Phantom erfährt und dass eine Entscheidung von seiner Seite getroffen wird, die entweder total gezwungen oder aber dramatisch rüberkommt.




Insgesamt kein schlechter Klassiker, auch wenn es nicht zu schlimm wäre, wenn man ihn nicht liest. Durch seine leichten Krimielemente und die Glaubwürdigkeit der Beziehung zwischen Christine und dem Phantom, ebenso wie die Gefährlichkeit des Letztgenannten, hat Das Phantom der Oper ein paar große Pluspunkte zu bieten. Ein poetischer, etwas schmalziger, manchmal etwas zu oft von Ausrufezeichen durchsetzte Schreibstil machen quasi das Sahnehäubchen aus. Trotzdem ist das Musical von Webber empfehlenswerter, da er genau streicht, was die Schwächen des Buches sind: Raoul als Hauptcharakter und das fragwürdige Ende. Ein leicht überdurchschnittlicher Roman, das einem aber bestimmt nicht lange im Gedächtnis bleiben wird.




Ich gebe dem Buch:


♥♥.♥ Herzchen


Extra:


Wen ich vielleicht neugieirig auf das Musical gemacht habe - hier das Titellied aus einer Musicalversion aus Hamburg :3


CU
Sana

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