Samstag, 12. August 2017

►Film-Review◄: Delphinsommer

Grundwissen:



Titel: Delphinsommer
Idee: Jobst Oetzmann
Regisseur/-e: Jobst Oetzmann
Drehbuch◄: Regine Bielefeldt
Produzent/-en: Michaela Nix
Produktionsfirma: UFA Fernsehproduktion
Erschienen: 2005
Dauer: 85 Minuten (1 Stunde, 25 Minuten)
Altersfreigabe: FSK 12
Preis: 7, 99 € (DVD)
Genre: Drama; Tabuthema







Inhalt:



,,Wer sein Kind liebt, der züchtigt es.'' - Gregor



Natalie muss mit ihrer Familie, bestehend aus ihrer kleinen Schwester, ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, nach Berlin umziehen. Schon für ein normales Mädchen wäre der Gedanke an eine neue Schule beängstigend genug. Doch in Natalies Fall ist es nochmal was anderes, denn ihre Eltern lassen sie nur ungern auf eine gemischte Schule gehen. Immerhin wäre es am besten, wenn sie weiterhin auf einer Mädchenschule wäre, wie es ihrer Religion eher angemessen ist. Denn seit ihrer Geburt steckt Natalie in einer religiösen Gemeinschaft mit ihrer Familie, die sich komplett von der unreinen Gesellschaft außerhalb abkapselt. Doch nicht nur ihre Schule bringt sie auf andere Gedanken, sondern auch Sibille, die sich nichts sehnlicher wünscht als aus der Sekte auszusteigen. Doch wie kann diese Gemeinschaft, ihre Brüder und Schwestern, so gefährlich sein, wenn sie doch nur das tun, was Gott verlangt?




Meine Meinung ...




zum Film:




Was die filmische Darstellung von Faschismus angeht ist Deutschland ein ziemlicher Vorreiter, vor allem wenn es um den Zweiten Weltkrieg und Nazis geht. Wie steht es allerdings mit religiösem Faschismus, der wegen des abstrakten Gedanken Gottes noch schwerer nachzuvollziehen ist?
Man hat zumindest schon Besseres gesehen, denn dass dieser Film existiert ist wirklich gut und dient der Aufklärung über Personen, die sich eben in Natalies Situation befinden. Von der Geschichte her ist es allerdings ziemlich lau und kaum etwas Besonderes.
Das liegt vor allem daran, dass viele der Charaktere nicht sonderlich außergewöhnlich sind. Das bedeutet nicht, dass sie flach oder stereotypisch sind, jedoch wirken sie so wie jede andere Figur in einem solchen Film mit der Thematik ,,Sekte''/,,Faschismus'' sein könnte. Gregor Scholl als einer der führenden Kräfte innerhalb der Gemeinschaft ist streng, kontrolliert und bemüht sich um ein positives Bild nach außen, seine Frau folgt ihm auf Schritt und Tritt, ihre Tochter ist naiv, zuckersüß und der Außenwelt gegenüber feindselig eingestellt. Dann hat man noch das rebellische Mitglied innerhalb der Gruppe, das insgeheim ausbrechen will, und den obligatorischen Love Interest, der der Protagonistin raushelfen möchte. Schön und gut, wahrscheinlich sind es auch Freunde und Partner von außen, die einen dazu bringen, aus einer Sekte austreten zu wollen, aber irgendwie fehlte dem Ganzen die Individualität. Es kann jede Aussteigergeschichte sein statt die spezielle von Sibille und Natalie. Natürlich ist es logisch, dass vor allem Natalie, die zu Beginn noch ohne mit der Wimper zu zucken hinter der Ideologie steht, keine großartig ausgebaute Persönlichkeit hat. Das lässt ihr Dasein auch überhaupt nicht zu. Aber im späteren Verlauf hätte man etwas mehr aus ihr machen können. So fällt es allerdings schwer von Anfang an mit ihr mitzufühlen und darum zu bangen ob sie den Ausstieg schafft oder zu beobachten wie dieser zustande kommt.
Noch schlimmer sind allerdings ihre Schulkameraden, und das nicht aufgrund des Mobbings ihr gegenüber, sondern wegen ihrer nicht vorhandenen Persönlichkeit. Einen der zwei Charaktere hätte man sogar ganz streichen können, denn das Mädchen scheint nur deswegen da zu sein, damit Love Interest Gabriel nicht der einzige ist, der Natalie aus der Patsche hilft. Einen Namen oder gar eine Persönlichkeit hat sie trotzdem nicht und so auch keine Daseinsberechtigung. Hätte man allerdings nicht mit den Charakteren außerhalb der Sekte zeigen können, wie schön es ist seine eigene Persönlichkeit entwickeln zu können? Darüber entscheiden zu können was man liest, schaut oder ob man tanzen geht? Insofern hätten Natalies Mitschüler, insbesondere Gabriel, mehr Charakter bekommen sollen, damit sich die Hauptfigur auch dafür zu interessieren beginnt. Denn mit ihrer Flachheit wirken sogar die Figuren innerhalb der Sekte entwickelter.
Das wäre wegen all der repressiven Mechanismen in der Gemeinde aber sehr unwahrscheinlich. Das ist nämlich etwas, dass die Macher des Films gut hinbekommen haben: mit welchen Mitteln diese Leute ihre Taten rechtfertigen, wie sie Gott als Deckmantel für alles benutzen, wie sie sich ihre Mitglieder aneignen und wie engstirnig sie gegenüber allem sind, was nicht so ist wie sie. Auch wenn die Gemeinde niemals benannt wird und auch außer dem Stützen auf die Bibel ihre Bestandteile eher ein Gemisch aus bereits bestehenden Sekten sind, wirkt sie recht glaubwürdig. Anders als der Großteil des Geschichtsverlaufs wirkt es nicht wie abgeklappert, sondern subtil und wohlüberlegt. Außerdem wirkt es selbst an den Stellen, in denen Mitglieder kritische Fragen mithilfe ihrer Überzeugungen beantworten wollen, nie faul dahergeschrieben. Es wirkt nicht so als würde man das alles von vorneherein für absoluten Quatsch abtun, sondern sich Mühe geben zu verstehen warum man daran glaubt, insbesondere wenn manche Fragen nur zögerlich beantwortet werden. Deswegen können die Macher eine gewisse Abscheu im Zuschauer erregen, die zunimmt je mehr die Situation zu eskalieren scheint.
Dabei ist es gut gemacht wie Natalie sich langsam ,,vom Satan verführen'' lässt. Während sie sich anfangs noch gegen die Einflüsse ihrer neuen Schule wehrt und deswegen sowohl sozial als auch schulisch Schwierigkeiten bekommt, setzt ihr Sibille nach und nach Fragen in den Kopf. Schön ist, dass es wirklich eine Entwicklung ist, eine, in der sie sich auch immer wieder an ihren Glauben klammert, wenn es ihr zu schnell geht. Auf den ein oder anderen könnte sie deswegen nervig wirken, da sie nicht weiß was sie will - aber genau das macht es so realistisch. Wie würde man denn selbst reagieren, wenn auf einmal alles, was man gelernt hat, auf den Kopf gestellt wird? Man sich von allem, was man kennt und liebt, auch den eigenen Eltern, trennen könnte oder sogar sollte? Man Wahr und Falsch neu ordnen muss? Da wäre wohl jeder unschlüssig was als Nächstes zu tun wäre.
Es folgen auch eine ganz kleine Handvoll Wendungen, die einen schockieren und auch zeigen, wie brutal solche Sekten mit Aussteigern umgehen können, aber einem gewissen Schema folgt es trotzdem. Vor allem die kleine Liebesgeschichte nebenbei ist ziemlich unnötig im Anbetracht dessen, dass der Junge nichts zu ihrer Entwicklung beiträgt, scheint zugunsten dieses Schemas etwas hineingequetscht worden zu sein. Trotzdem ist man in der letzten halben Stunde emotional mit dabei und kann irgendwann kaum wegsehen.



Leider verläuft die Geschichte genau so, wie man es sich von einem Film mit dieser Thematik erwarten würde. Zwar kommen einige Punkte, an denen es recht hart wird und man wirklich beginnt diese Sekte für ihre manipulative und beschränkte Sichten zu hassen, jedoch fehlt es in der Gesamtheit an Lebendigkeit. Die Figuren sind erst gegen Ende gut genug gezeichnet, dass man wirklich von der Story gepackt wird, davor jedoch so grob, dass man sich eine Zeitlang nicht mal ihre Namen merken kann. Alle Szenen innerhalb der Sekte, die auf Erklärung und Aufklärung ausgelegt sind, sind äußerst interessant, doch was das Zwischenmenschliche und die Charakterzeichnung betrifft kann man sich nur schwer beeindrucken lassen, wenn man von Natalies langsamer Entwicklung absieht. Leider viel verschenktes Potential, vor allem bei einem so wichtigen Thema. Wer allerdings einen Einstieg dazu sucht, der wird hiermit nicht vollkommen enttäuscht werden.




Ich gebe dem Film:



♥♥ Herzchen



Extra:



Der Titel dürfte vermutlich den ein oder anderen verwirren, weil er einfach überhaupt nicht nach so einer ernsten Thematik klingt. Dieser bezieht sich nämlich auf einen Zoo, in dem Natalie mal gewesen ist, und die es echt toll fand, als die Delfine aus ihrem Aquariumswasser hinaus in die Lüfte gesprungen sind. Ihr wisst schon ... ausbrechen und so. Um vielleicht mal diesen grauenhaft kitschigen Titel zu erklären ^.^


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CU
Sana

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