Donnerstag, 12. Oktober 2017

:)Rezension:): Der Ozean am Ende der Straße

Grundwissen:



Titel♥: Der Ozean am Ende der Straße (original: The Ocean at the End of the Lane)
Autor/-in♥: Neil Gaiman
Erschienen♥: 2016 im Bastei-Lübbe-Verlag (Taschenbuch); original 2013
Seitenanzahl♥: 236 Seiten ohne Danksagung und bisher unveröffentlichten Kurzgeschichten des Autors
Preis♥: 8, 99 € (Kindle Edition); 11, 00 € (Taschenbuch); 18, 00 € (Hardcover) [Quelle: amazon.de]
Genre♥: All Age; Fantasy/Magischer Realismus; Horror






Deutsche Ausgabe: © Bastei Lübbe Verlag
Originalausgabe: © William Morrow Books
























Inhalt:



Kindheitserinnerungen liegen manchmal unter den Dingen verborgen, die später passiert sind, wie Spielzeug, das vergessen auf dem Boden eines Kleiderschranks liegt, aber nie ganz verloren ist. (S. 12)





Nach einer Beerdigung setzt sich ein Mann in sein Auto und fährt los. Anfangs weiß er nicht wohin. Doch irgendwann befindet er sich in Sussex, wo er aufgewachsen ist, und sucht nach einem Ententeich, den seine mysteriöse Freundin Lettie Hempstock immer als Ozean bezeichnet hatte. Seit ihrem Umzug nach Australien hat er sie nicht mehr gesehen und setzt sich deswegen am Teich nieder, um sich zu erinnern. An ihre Familie, ihre Abenteuer und wie sie sich gemeinsam einem Monster aus einer anderen Welt gestellt haben ...





Meine Meinung ...




zum Buch:







Erinnert ihr euch nach daran, als ihr sieben Jahre alt wart und mit euren Freunden in den Wald gegangen seid, um böse Monster zu bekämpfen, die sich in verkrüppelten Bäumen versteckten? Als ihr klein wart und einfach wusstet, die alte Frau, die mit ihrem Fahrrad in den Wald fährt und Kräuter sammelt, eine Hexe ist? Als ihr Dinge sehen und fühlen konntet, die Erwachsene nicht wahrnehmen konnten? Fühlt ihr euch nostalgisch, wenn ihr daran zurückdenkt, und wünscht euch, ihr könntet die Magie und Geheimnisse der Welt wieder sehen?
Solltet ihr nach diesem ganz besonderen Gefühl suchen, dann ist Der Ozean am Ende der Straße genau das Richtige. Denn obwohl es sich nur um eine kleine Geschichte handelt, die von der Grundidee her etwas ist, das jeder von uns kennt, hält sie einen ganz in sich gefangen und lässt einen mit Dankbarkeit und Leere gleichermaßen zurück. Denn sie kann euch wieder das Gefühl geben, sieben Jahre alt zu sein und die Geschichte der Hauptfigur genau so erleben zu können. Sie belebt etwas in euch, dass ihr als längst verschwunden geglaubt habt, und erweckt in euch den Wunsch, sie möge nie ein Ende finden. Denn mit ihrem Ende würde auch dieser wiedergeborene Teil in euch enden. So intensiv und atmosphärisch gestaltet Neil Gaiman seine Seiten und lässt einem keine Möglichkeit als sich komplett darin zu verlieren und zugleich wiederzufinden.
Besonders originell ist die Story wie gesagt nämlich nicht. Ein Junge, der durch eine Bekanntschaft Magie kennenlernt und gegen das Böse kämpft - egal ob Harry Potter oder Percy Jackson, dieser Grundriss ist absolut gewöhnlich. Und dennoch schafft der Autor es, daraus etwas Einzigartiges mit hohem Wiedererkennungswert zu spinnen. Maßgebend dafür ist die dunkle und doch kindliche Atmosphäre, die Gaiman aufbauen kann. Mit recht einfachen und doch eleganten Worten schildert er die Gedankengänge seines introvertierten Protagonisten, der sich lieber in Bücher verkriecht als sich den Problemen der Welt zu stellen. Obwohl er nicht mal einen Namen hat, findet man unglaublich schnell Zugang zu ihm und kann sich wunderbar in ihn hineinversetzen, vor allem wegen seiner kindlichen Naivität gegenüber dem Übernatürlichem, die man selbst besessen hat. Man begleitet ihn in seinen Erinnerungen und stellt schmerzlich fest, wie sehr sie in Vergessenheit geraten sind und ihn letztlich kaum verändert haben. Nahezu so, als würde er sich einzureden versuchen, es handele sich um Hirngespinste, so wie man sich früher mit seinen Schulfreunden in den Kampf mit unsichtbaren Monstern gestürzt und das alles vergessen hat. Aus diesem Grund kann man sich sehr gut vorstellen, diese Geschichte selbst erlebt zu haben und sie nun, da man erwachsen ist, ungerechterweise als unecht abzutun. 
Während in der Gegenwart also alles still steht, taucht man ab in eine ergreifende und doch abstrakt gehaltene Welt, die inmitten aller Normalität existiert. So wie für Kinder Magie existiert und wie sie vermutlich auch existieren würde. Dabei stört es überhaupt nicht, dass nur wenige Fragen beantwortet werden. Die Grenzen zwischen seiner Fantasie und der Magie sind so fließend, dass große Erklärungen zu Gaimans Einfällen das Mystische und Nostalgische an der Story geschmälert hätten. Auch ohne großes World-Building wirkt alles stimmig und wunderbar geheimnisvoll, als wäre die Magie, mit der man hier vertraut wird, älter als die Welt selbst. Manch einem könnten so die Unterhaltungen der Hempstock-Frauen zu kryptisch sein und der Ursprung des Antagonisten zu platt, jedoch wirkt dies alles durch die kindlichen Augen des Protagonisten rund. Die Familie Hempstock machen den Eindruck von weisen Beschützern, die für das Gute einstehen und älter sind als alles, was bisher existiert. Insbesondere in der Gestalt Lettie zeichnet sich dies ab, die für ihre elf Jahre sehr resolut mit den Ungeheuern umgeht und die eine oder andere Wahrheit an den Protagonisten weitergibt.
Denn so einfach diese Geschichte gestrickt ist, man kann sie in ihrer Gesamtheit als Geschichte des Erwachsenwerdens sehen. Es wird thematisiert, wie machtvoll und sicher Erwachsene doch wirken, insbesondere da der Antagonist diese Gestalt annimmt, und der junge Protagonist so nicht das Gefühl hat, gegen sie ankommen zu können. Dass er wegen seiner Rolle als Kind nicht ernstgenommen wird und all das, was er sieht, von seinen Eltern als Unsinn abgetan wird. So wird auch die Abhängigkeit von Kindern gegenüber Erwachsenen dargestellt, die der Protagonist in Der Ozean am Ende der Straße durchbrechen muss. So wird er dazu gezwungen, innerhalb seines dunklen Kampfes auf sich allein gestellt zu sein und letztlich seine Kindlichkeit aufzugeben, obwohl letztlich kein Erwachsener auf der Welt so mächtig ist, wie er einem als Kind erscheint. Das wird mit so einigen symbolischen und bildgewaltigen Szenen untermauert, die ohne jegliche Dramatisierung oder Tränen auskommen. Zwar funktioniert die Story auch ohne all die Interpretationsmöglichkeiten, jedoch fühlt man sich regelrecht davon erschlagen, sobald einem die Bandbreite davon vor Augen geführt wird, vor allem wenn man den Protagonisten in den unterschiedlichen Zeitebenen vergleicht. Denn auch dieser hat nicht an Macht dazugewonnen und wirkt noch immer so verloren wie er es als Kind tut.
Neben dieser grandiosen metaphorischen Ebene sind aber auch die Fantasy-Elemente an sich nicht zu unterschätzen. Denn lässt man sich auf ihre Unausgereiftheit ein, so muss man Neil Gaiman eine unglaubliche Kreativität zuschreiben. Nicht nur die Familie Hempstock und ihre ganz eigene Präsenz, auch ihre Art Magie zu wirken sind außergewöhnlich allein in ihrer Einfachheit. Zudem besitzt das Buch durch seine dunkle, schwere Atmosphäre auch so einige Szenen, die manch einer sogar als gruselig oder eklig bezeichnen könnte. Nicht nur spielen Aasfresser und Ungeziefer eine große Rolle, auch ist es für den Protagonisten erschreckend, wie er sich in seinen eigenen vier Wänden einer Gefahr entgegensieht und er nichts dagegen unternehmen kann. Da dieser Antagonist allerdings als Erwachsener in Erscheinung tritt und für einige Schwierigkeiten innerhalb des Familienhauses sorgt, könnte man auch hier die Metaebene heranziehen und sie als Manifestation all der Erwachsenenprobleme ansehen, gegen die Kinder nichts ausrichten können, beispielsweise wenn ein Elternteil dem anderen fremdgeht.
Auch wenn das Buch die gesamte Zeit über recht ruhig und in seiner Stimmen eigen ist, so kann man das Finale trotzdem als fesselnd beschreiben. Nicht nur kommt noch eine Gefahr mehr auf den Protagonisten und die Hempstocks zu, auch markiert das Finale das Ende der Kindheit und Magie der Hauptperson, und das auf so tragische Weise, dass einem das Herz blutet. Nicht, weil man die Figuren so sehr ins Herz schließt, denn diese sind nur in ihren Grundzügen gezeichnet. Nicht, weil es komplett aus dem Nichts kam und ein großes Aufheben darum gemacht wird. Sondern deswegen, weil dieses Ende so ungerecht ist und man sich wünscht, dieses Buch würde nie enden, nicht nur, damit man sie als Leser nicht loslassen muss, sondern auch, um dem Protagonisten, der für uns alle steht, die wir unsere Kindheit verlassen haben, genau das zu ersparen.




Es hat nicht viele Seiten, seine Grundidee ist alles andere als neu und auch die Welt und die Figuren sind nicht so tiefgründig. Doch trotzdem kann Neil Geiman, was unter kritischen Gesichtspunkten Schwächen wären, in Stärken verwandeln und eine wunderbare Geschichte aufziehen, die von ihrer düsteren und schlichtweg magischen Atmosphäre mit einem ordentlichen Schuss Grusel lebt. Man kann und will sie nicht verlassen, wird von Vorneherein in den Bann gezogen und kann wegen seiner einfachen und doch poetischen Worte nicht aufhören zu lesen. Sieht man Der Ozean am Ende der Straße auch noch als Werk über das Erleben der Kindheit und den Verlust dessen, so packt einen das Buch emotional noch mehr und kann einen zutiefst berühren. Es ist bei Weitem nicht perfekt, aber durch seine Aussage und insbesondere das Ende kann man einfach nicht anders als sich und seine Kindheit damit zu identifizieren und tieftraurig darüber zu sein, dass sowohl die Geschichte des Protagonisten als auch die eigene zu Ende ist. Ein kleines Meisterwerk, das einem für die Stunden des Lesens seine Kindheit zurückbringt und einen dazu bewegt, an seinen eigenen Ozean am Ende der Straße zu gehen und die Erinnerungen fließen zu lassen.





Ich gebe dem Buch:


♥♥ Herzchen


Extra:



Das wohl bekannteste Werk des Autoren wäre wohl Coraline, eine düstere Horror-Homage an Alice in Wunderland. Darin zieht Coraline mit ihrer Familie in ein neues Haus und fühlt sich vernachlässigt von ihren Eltern. Daraufhin entdeckt sie eine Tür in der Wand eines Zimmers und beschließt, diese zu öffnen. Dort findet sie eine perfekte Welt vor, in der ihre Andere Mutter und ihr Anderer Vater immer Zeit für sie haben und großen Spaß mit ihr haben. Doch als die Andere Mutter ihr anbietet, zu bleiben, wird die Sache ungemütlich ...

Hier der Trailer :)

CU
Sana

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