Freitag, 13. Oktober 2017

:)Rezension:): Die verlorene Ehre der Katharina Blum

Grundwissen:



Titel: Die verlorene Ehre der Katharina Blum oder Wie Gewalt entstehen und wozu sie führen kann
Autor/-in: Heinrich Böll
Erschienen: erstmals 1974 im dtv-Verlag
Seitenanzahl: 137 Seiten ohne Nachwort des Autors
Preis: 8, 90 € (Taschenbuch); 5, 49 € (Kindle Edition); ab 0, 52 € (Hardcover) [Quelle: amazon.de]
Genre: Klassiker; Erzählung; Drama




Quelle: © Deutscher Taschenbuch Verlag






Inhalt:



Es war der junge Staatsanwalt Dr. Korten, der hier ein fast leidenschaftlich zu nennendes Plädoyer für die Pressefreiheit und für das Informationsgeheimnis hielt und ausdrücklich betonte, daß, wer sich nicht in schlechte Gesellschaft begebe oder in solche gerate, ja auch der Presse keinerlei Anlaß zu vergröberten Darstellungen gebe. - S. 65




Katharina Blums Leben war nie einfach. Aufgewachsen in ärmlichen Verhältnissen, musste sie sich ihre eigene Wohnung und ihre Karriere erkämpfen, und kann nun als freie Hauswirtschafterin bei Richter Blorna und seiner Frau ihren Lebensunterhalt verdienen. Doch zu Weiberfastnacht wird sie mit Ludwig Götten gesehen, einem gesuchten Verbrecher, der die Nacht über in ihrer Wohnung bleibt. Obwohl die Wohnung umstellt ist, ist er am nächsten Tag verschwunden. Als Verdächtige wird Katharina von der Polizei verhört und von der ZEITUNG reißerisch als seine Komplizin dargestellt. Und damit die mühsam aufgebaute Existenz Katharinas ruiniert.




Meine Meinung ...




zum Buch:




Artikel 5 unseres Grundgesetzes garantiert nicht nur Meinungs-, sondern auch die Pressefreiheit. Aus diesem Grund wird der Begriff ,,Berichterstattung'' sehr breitgefächert und kann es so auch Fake News ermöglichen, von seinen Lesern ernstgenommen und verbreitet zu werden. Selbst die BILD-Zeitung hier in Deutschland steht unter dem Schutz dieses Artikels und kann nicht belangt werden, egal wie reißerisch, vereinfacht und subjektiv ihre Form der Nachrichtenverbreitung doch ist.
In Die verlorene Ehre der Katharina Blum steht genau diese Problematik im Fokus. Das schafft Heinrich Böll durch die Unterscheidung zwischen neutraler Berichterstattung und Boulevard-Zeitschriften. Während der Leser nämlich zuerst von den wirklichen Ereignissen erfährt, all dies in einer nüchternen, fast schon protokollhaften Sprache, wird er danach mit der Version der ZEITUNG davon konfrontiert, die nicht nur Aussagen von Zeugen verdrehen, sondern auch Verschwörungstheorien ohne Beweisgrundlage in den Raum werfen. Es wird nach dreckigen Details gesucht und diese, sollten sie nicht dreckig genug sein, so verändert, dass sie aus Katharinas Leben den größten Blockbuster machen. Vor allem durch diese Gegenüberstellung kann man die Artikel der Boulevardpresse nur ekelhaft finden und darüber den Kopf schütteln, dass die Protagonistin keine Möglichkeit hat, dagegen Klage einzureichen. Zwar betont der Autor in seinem Nachwort, dass die ZEITUNG in seiner Erzählung ein wenig übertrieben ist, jedoch kann man sich durchaus vorstellen, dass solche Artikel in genau dem Wortlaut mal auftauchen könnten.
Auch die Effektivität dieser unprofessionellen Berichterstattung wird deutlich in den Folgen für das Leben Katharinas und ihres sozialen Umfeldes. Nicht nur wird sie gemieden, auch scheint die Polizei sich eher an den Suggestivfragen der ZEITUNG entlangzuhangeln statt neutral auf ihre Aussagen einzugehen. Die Hauptfigur bekommt immer mehr das Gefühl, nirgends sicher zu sein, nicht einmal in ihren eigenen vier Wänden, da sich die Leser der ZEITUNG nicht scheuen, sie anzurufen und sie anzufeinden. So wird die Tragweite dessen, was man mit der Manipulation durch Journalismus erreichen kann, einem überdeutlich bewusst, da sogar einige Leute in ihrem engeren Bekanntenkreis eher der Presse glauben als ihr. Letztlich sorgen diese angeblichen Journalisten dafür, dass das Leben einer starken jungen Frau, die so Einiges durchgemacht hat, selbst in ihrer neuen Existenz keinen Frieden finden kann und schließlich zu Gewalttaten greift. Und so der aufmerksamkeitsgeilen Boulevardpresse sogar noch in die Hände spielt.
So sehr man das Plädoyer und die zeitlose Aussage des Autors versteht, so unspektakulär ist allerdings die Umsetzung. Das liegt vor allem an seinem Schreibstil, der zwar gewollt kühl ist, so dem Leser allerdings eine zu große Distanz zum Geschehen gibt. Nahezu alles bekommt man rückblickend erzählt, statt wörtlicher Rede und Dialogen bevorzugt der Autor es, diese mit indirekter Rede wiederzugeben, sodass nur wenig von alldem ausgearbeitet ist. So findet man das, was mit Katharina passiert, zwar schlimm, allerdings nicht so sehr, wie man es hätte tun können, wenn die Geschichte mit mehr Emotion erzählt worden wäre. Jedoch will genau dies der Autor vermeiden, um sich nicht auf das Niveau der Boulevardpresse zu begeben, die vor künstlicher Spannung und Adjektiven nur so strotzt. Daher kann man ihm schlecht einen Vorwurf für etwas machen, dass beabsichtigt ist - Unterhaltsamkeit ist aber dennoch etwas anderes.
Da man bereits in den ersten Seiten erfährt, wo all dies hinführt, ist die Geschichte nicht wirklich spannend und hätte den Leser eher gepackt, wenn Szenen mehr ausgearbeitet worden wären, man den Leser hautnah an die Charaktere gebracht hätte. Vor allem die Folgen für die einzelnen Figuren werden in den letzten Kapiteln eher abgefrühstückt, weswegen das Ausmaß dieser Entwicklungen keine volle Wirkung entfaltet.
Außerdem ist die Geschichte hinter Katharinas Verbindungen zu Götten bemerkenswert harmlos, wie der Autor es in seinem Nachwort auch erwähnt. Es macht aus dieser recht emanzipierten jungen Dame ein kleines Fräulein in Nöten, was insbesondere dadurch unterstrichen wird, dass jede männliche Figur dieser Erzählung sie attraktiv findet. Das hat ihren Charakter ein wenig widersprüchlich erscheinen lassen und ihre Entwicklung, die sich innerhalb von nur wenigen Tagen vollzieht, etwas unglaubwürdig gemacht. Man wird wohl kaum beim Lesen eines einzigen Artikels über sich selbst, der falsche Tatsachen präsentiert, Mordgedanken hegen, vor allem wenn man so kühl und stolz ist wie Katharina. Doch nicht nur ihr wurde so die Glaubwürdigkeit genommen, auch die anderen Figuren bleiben blass und dienen scheinbar nur einzelnen Funktionen innerhalb der Handlung. Teilweise hat man wirklich Schwierigkeiten, sie zu unterscheiden, und so auch wahrhaftig mitzufühlen.
Das Ende dieser Geschichte ist zwar tragisch, da die Boulevardpresse Katharina irgendwann genau zu dem macht, als was sie sie dargestellt haben, jedoch ist es viel zu abrupt und endet fast schon in gleichgültigem Ton.




Alles in allem macht sich der Autor die Geschichte selbst ein bisschen kaputt. Die Hintergründe von Katharinas Handeln hätten fast schon aus einem Groschenroman stammen können, was ihrer emanzipierten und willensstarken Figur, die sich durch alles durchbeißt, leider die Glaubwürdigkeit raubt. Auch die Folgen für die anderen Charaktere sind zwar theoretisch erschreckend, können ihre Wirkung durch den trockenen Schreibstil jedoch kaum entfalten. Wenn man mit dem Anspruch reingeht, eine echte Geschichte zu lesen, das untermauert, wie ekelhaft die Boulevardpresse ist und sie ungerechtfertigterweise unter dem Schutz der Pressefreiheit steht, so wird man also eher enttäuscht sein. Stellt man sich jedoch darauf ein, nüchterne Protokolle über dieses Fallbeispiel ohne große Emotionen zu lesen, so kann das Buch einem durchaus Spaß machen. Es stellt sich eben nur die Frage, wie effektiv ein Autor sein kann, der Wut und Ärger im Leser erwecken möchte, ohne dabei eine gewisse Nähe zu den Figuren und zu der Bandbreite des Themas herzustellen.




Ich gebe dem Buch:


♥♥ Herzchen


Extra:



Sommers Weltliteratur to Go hat eine sehr lustige Zusammenfassung mit Playmobilfiguren von dieser Erzählung gemacht. Wer will, kann man reinschauen :3

CU
Sana

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