Samstag, 1. September 2018

:)Rezension:): Plan D

Grundwissen:




Titel♥: Plan D
Autor/-in♥: Simon Urban
Erschienen♥: 2011 im Schoeffling & Co. Verlag (Taschenbuch); 2013 im btb-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl♥: 551 Seiten
Preis♥: 11, 99 € (Taschenbuch); 12, 99 € (Kindle Edition); 24,95 € (Hardcover)
Genre♥: Dystopie; Kriminalgeschichte




Quelle: © Schoeffling & Co. Verlag





Inhalt:


[...] Kreisen führte garantiert zu nichts, aber ganz am Ende wenigstens wieder zum Ausgangspunkt. - S. 71



Statt der Wiedervereinigung 1991 gab es die sogenannte Wiederbelebung der DDR. So existiert sie auch weiterhin im Jahr 2011, ein wirtschaftlich marodes Land direkt neben dem blühenden BRD-Paradies. Auch Hauptmann der Volkspolizei Martin Wegener ist alles andere als ein überzeugter Sozialist. Eines Tages findet er jedoch einen Mann namens Hoffmann, erhängt in der Nähe einer Pipeline, die Gas von Russland in die BRD transportiert. Alles weist auf die Staatssicherheit hin, wäre diese Lösung nicht zu offensichtlich? Wer war Hoffmann, was wusste er und wer steckt hinter dem Mord? Schon bald kann Martin Wegener niemandem mehr trauen und vermutet hinter jeden Ecke einen Komplott.

Meine Meinung ...




zum Buch:




Eine dystopische Welt, in der die DDR weiterhin existiert, und in der sich ein Mord ereignet, der eine große politische Bedeutung hat? Das klingt nach einem genialen Konzept, das mit dem richtigen Maß an intelligenter Erzählweise, detailliertem World-Building einer DDR im Jahre 2011 und ein wenig Action eine wahnsinnig tolle und innovative Geschichte hätte erzählen können.
Leider ist die größte Schwäche des Romans der Schreibstil des Autors, der nur als speziell bezeichnet werden kann. Wie man es von einem ehemaligen Germanistikstudenten erwarten könnte, versucht er literarisch zu schreiben und mannigfaltige Formulierungen zu finden. So ist man anfangs geradezu fasziniert von seiner Wortgewalt, die gemeinsam mit seinem Zynismus einen außergewöhnlichen Weg findet, die Geschichte Martin Wegeners zu erzählen. Man kommt sogar recht schnell durch die Kapitel, da der Autor viele Sätze durch Kommata aneinanderreiht und so jedem Eindruck des Protagonisten einen gewissen Flair von Stream of Consciousness verleiht, einer postmodernen Erzähltechnik, in der Vorstellungen und Gedanken einer Figur in einem geschlossenen Geschehen assoziativ aufeinanderfolgen. Dadurch wirkt zwar alles sehr ausführlich und zufällig, bietet einem jedoch viele Vergleiche, Metaphern und allgemeine Eindrücke der DDR. Allgemein gefällt sich Urban darin, über das deutsch-deutsche Verhältnis zu philosophieren und die Gesprächsthemen der Figuren ebenso in diese Richtung zu leiten. Vor allem das Aufeinandertreffen von Wegener mit zwei Kollegen aus Westdeutschland bietet da viel Potential, um etwas über das World-Building zu erfahren.
Das Problem daran ist jedoch, dass Einstreuungen dieser zynischen Eindrücke und ein paar Gespräche über die Unterschiede der DDR und BRD dem Buch die nötige Tiefe verliehen hätten, der Autor das gefühlt jedoch alle zwei Seiten von Neuem wiederholt. Muss wirklich in jede Unterhaltung ein sarkastischer Kommentar über die DDR rein, obwohl das Thema gerade ein anderes ist? Muss ständig die Armut und der graue Alltag der DDR erwähnt werden, damit der Leser es dem Autoren wirklich abkauft? Und muss derartig viel Herumphilosophieren, das irgendwann einfach nichts Neues mehr bietet, die Handlung dermaßen in den Hintergrund rücken? So besonders der Stil auch ist, spätestens ab der Hälfte ist er nur noch anstrengend und bringt den Leser dazu, Passagen nur noch zu überfliegen und aufzustöhnen, wenn Simon Urban wieder mal zum Schwafeln ansetzt. Das wiederum sorgt jedoch dafür, dass man manche Wendungen erst im Nachhinein wirklich realisiert, weil der rote Faden so unter seinen Gedankenergüssen versteckt ist, dass man sich regelrecht hindurchwühlen muss, um ihn wiederzufinden. Zwar bringt er einen durch seinen dunklen Humor immer wieder mal zum Lachen, hat jedoch durchaus seine Momente, in denen er es zu weit treibt und Abstruses in so einer Ausführlichkeit formuliert, dass man kaum glauben kann, dass das wirklich gedruckt worden ist.

,,[...] jetzt schnappt er dich, jetzt servieren sie dich ab und spinnen dich mit ihrer Stille ein, und du hast uns noch den Abschied versaut, Karolina, wir hätten es im Müll treiben können, zwischen Goldkronealtglas und schimmelndem Allerlei, ich hätte deine wasserfallnasse Dose geleckt, bis du gekommen wärst, hätte deine hellgrauen Schamlappen gelutscht, an diesen faltigen, fleischigen Kohlblättern, die du zum Glück nie hast verkleinern lassen, ich hätte deinen Kitzlerknubbel mit meiner Zungenspitze gestreichelt bis dein Saft auf den Boden getropft wäre, und dann hätte ich die Pfütze vom Boden geleckt [...]'' - S. 433

Wer solche Art von bizarrem Humor mag, der wird in Verbindung mit den möchtegernintelligenten Passagen wohl seine Freude an dem Buch haben, andere wird es jedoch vollkommen aus der Handlung rausreißen, insbesondere weil dieses Gejammer über Wegeners Exfreundin Karolina irgendwann nicht mehr zu ertragen ist und immer an den unpassendsten Stellen zutage kommt. Zumal der Autor scheinbar sowieso das fragwürdige Geschlechterbild besitzt, dass ein Mann ohne ein Frau sowieso nichts wert ist und sie alles in seinem Leben erträglicher macht.
Demzufolge ist auch der Protagonist keiner, dem man unbedingt gerne folgt, da man über ihn auch nicht viel erfährt. Er hat wie alle anderen Figuren einen inneren Groll gegenüber der DDR, verwendet viel Zeit darauf, über seine Exfreundin nachzudenken, und ist davon besessen, dass sein ehemaliger Kollege wahrscheinlich durch die Stasi verschwunden ist. Eine typische Polizistenfigur also, die wegen der ungewöhnlichen Schreibweise, wie auch alle anderen Figuren, sehr untergeht.
Ganz besonders schade ist jedoch, dass auch das World-Building deswegen untergeht, und das obwohl der Autor sich so darauf fokussiert, über das Elend der DDR zu erzählen. Doch bis auf die veränderte alternative Geschichte der ,,Wiederbelebung'' und die Information, dass die DDR Westdeutschland mit Gas aus Russland versorgt, sind die wenigsten politischen Gegebenheiten wirklich thematisiert worden. Es gibt zwar immer wieder Details, die Urban beschreibt, wie zum Beispiel die Propaganda-Eigenfilmproduktionen der DDR oder dass die Europäische Union existiert, jedoch ist das in sich selbst nicht unbedingt logisch. Wie wäre es trotz der Mauer möglich, dass die Figuren Popkultur des Westens referieren können, wie Pennywise aus Stephen Kings Es oder auch Batman? Es fallen einfach zu wenige Informationen über den allgemeinen Aufbau der Gesellschaft und ihre politischen Zusammenhänge, da sich stattdessen nur auf die Kontraste von Wohlstand und Armut fokussiert wird. Für eine Handlung, in der ein politisch motivierter Mord eine Rolle spielt, ist das nicht förderlich.
Denn der Komplott hinter diesem Mord und was hinter dem titelgebenden Plan D steckt, ist wirklich gut erdacht und führt alle Fäden des Buches zusammen, die zuvor eher zufällig reingeworfen gewirkt haben. Warum hätte der Autor sich also nicht darauf konzentrieren können, sie ausführlicher zu erklären oder allgemein mehr zu den Terroranschlägen zu sagen, die auf einmal aufploppen? So endet Plan D zwar ziemlich clever, der Weg dahin ist jedoch die reinste Suche nach der Nadel im Heuhaufen.


Alles in allem ist Plan D ein Buch, das durchaus ein wenig Action hat und auch einen intelligenten Plot, jedoch gibt sich der Autor solche Mühe, außergewöhnlich zu schreiben, dass dies an den Rand gedrängt wird. Das Potential dieser Dystopie wird an vielen Stellen zu oberflächlich behandelt und bietet einem bis auf das, was man allgemein über die DDR weiß, wenig Neues oder Innovatives. Die eigentlichen Hintergründe hätten das sogar aufwiegen können, wenn der Autor sich nur mehr darauf konzentriert hätte. Stattdessen muss man sich alle zwei Seiten mit demselben Gebrabbel herumschlagen, das mit seiner aneinanderreihenden Art und verhäufenden grotesken Abschweifungen nur noch anstrengend wird. Eine der größten Enttäuschungen des Jahres.



Ich gebe dem Buch:


♥.♥ Herzchen


Extra:


Simon Urban hat nach seinem Debüt noch ein weiteres Werk veröffentlicht. In Gondowana soll es um die Vereinigung aller Religionen auf einer Insel für alle geltend zu machen. Dort ereignet sich jedoch ein Mord, dem ein atheistischer Polizist undercover auf die Schliche kommen soll. Hört sich sogar noch abstruser an als Plan D. Falls ihr euch ein paar Bewertungen dazu ansehen wollt, so klickt hier oder hier.

Quelle: Schöffling & Co.

CU
Sana

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