Freitag, 18. Januar 2019

:)Rezension:): Die Spiegelstadt

Grundwissen:



Titel: Die Spiegelstadt (original: The City of Mirrors)
Autor/-in: Justin Cronin
Erschienen: Mai 2018 im Goldmann-Verlag (Taschenbuch); Oktober 2016 im Goldmann-Verlag (Hardcover); original März 2016
Seitenanzahl: 983 Seiten ohne Dramatis Personae und Danksagung
Preis: 9, 99 € (Kindle Edition); 12, 99 € (Taschenbuch); 24, 99 € (Hardcover)
Genre: (Post-)Apokalypse; Horror; Science Fiction



Quelle: © Goldmann-Verlag
Quelle: © Ballantine Books






















Inhalt:


 Geschichte ist mehr als Daten, mehr als Fakten, mehr als Wissenschaft und Gelehrsamkeit. Diese Dinge sind lediglich die Mittel zu einem größeren Zweck. Geschichte ist eben das: eine Geschichte - unsere Geschichte. Woher kommen wir? Wie haben wir überlebt? Wie können wir die Fehlerd der Vergangenheit vermeiden? Sind wir wichtig? Und wenn wir es sind, wo ist unser Platz auf der Erde? Ich will die Frage noch anders formulieren: Wer sind wir? - S. 932 



Hundert Jahre lang, seit Amy sich den Zwölf gestellt hatte, hat niemand mehr einen Viral gesehen und Amerika scheint sich langsam von all den Jahren Furcht vor den Monstern zu erholen. Es werden neue Städte gegründet, Kinder geboren, eine Regierung aufgebaut. Nur Peter und einige seiner Freunde können nicht nach vorne sehen und halten an der Vergangenheit fest - besonders an Amy, die ebenso spurlos verschwunden ist. Doch in den fernen Ruinen einer Stadt wartet Zero, der Vater der Zwölf, der erste, der jemals mit dem Virus infiziert wurde, und sinnt auf Rache gegenüber Amy. Diese hat sich, entgegen der Erwartungen aller, selbst in einen Viral verwandelt und wird von Lucius, einem Propheten mit der Vision eines Schiffes, gefangengehalten. Es wird noch Jahre dauern, doch Lucius und Amy wissen: Die Virals werden von Zero zurückgerufen werden. Und dies könnte das finale Ende der Menschheit bedeuten - es sei denn, sie schaffen es, den Kontinent zu verlassen ...


Meine Meinung ...




zum Buch:


Justin Cronins Passage-Trilogie ist mit einer Seitenstärke von fast dreitausend Seiten bei drei Büchern eine absolute Wucht. Eine Wucht, die sich über Hunderte von Jahren zieht und ein Stück Menschheitsgeschichte in einem postapokalyptischen Szenario erzählen möchte, vielen Figuren folgt und in der Zeit oft hin- und herspringt. All diese Mühen und Gedankenarbeit vom Autor, der Wille, sich so lange mit denselben Figuren zu beschäftigen, muss definitiv gewürdigt werden - umso enttäuschender, dass dieses Finale leider sein Potential nicht ausschöpft.

Und das liegt maßgeblich daran, dass der Autor durch seinen Schreibstil den Eindruck erweckt, ein gigantisches, über allem stehendes Epos zu schreiben, und dadurch Vieles künstlich mit Bedeutung schwängert. Anfangs packen einen diese großen Worte und ausführlichen Beschreibungen noch, doch irgendwann werden sie so groß und ausführlich, dass man sie nur als aufgeblasen bezeichnen kann, da Gedankengänge sowie Handlungen oft unnötig in die Länge gezogen werden. Besonders die religiöse Inbrünstigkeit in der Handlung, die man als Geschichte der Arche Noah umreißen kann, sowie Amys Stellung als Messias der Welt wird einem förmlich ins Gesicht gedrückt. 
Letzteres ist überhaupt nicht gleichzusetzen mit dem Nutzen, den Amy für die Geschichte hat. Auserwähltengeschichten sind so alt wie die Welt selbst, natürlich, aber es gibt Auserwählte, die ihre Aufgabe gut machen und dazu noch interessante, plastische Charaktere bilden können. Und dann gibt es Auserwählte, die einfach nur langweilig sind und nichts zur Handlung beitragen, wo zwar über ihre Außergewöhnlichkeit erzählt wird, sie jedoch nichts dafür tun. Zu so einer Figur entwickelt sich Amy, die so oder so schon von Band 1 an kaum Authentizität aufweißt und im Finale der Trilogie nichtsnutziger denn je ist. Wie soll man mit ihr mitfiebern oder auch nur auf ihre Rückkehr hoffen, wenn in den Kapiteln aus ihrer Perspektive ausschließlich gegärtnert und darüber gegrübelt wird, wie sehr sie Peter vermisst? Ganz zu schweigen davon, dass die wachsenden romantischen Gefühle zwischen den beiden sowieso sehr merkwürdig sind, wenn man bedenkt, dass Peter sie als Kind im Erwachsenenalter kennenlernte.
Doch nicht nur die eigentliche Heldin der Geschichte ist langweilig, auch Zero ist alles andere als ein fesselnder Bösewicht. Cronin versucht ihm, der er über zwei Bände verschollen gewesen ist, sogar Tiefe zu verleihen, indem er seine Hintergrundgeschichte beleuchtet. Und das hätte vielleicht sogar funktioniert, wenn es sich dabei nicht um einen Flashback von über hundertfünfzig Seiten gehandelt hätte, die nicht mal mehr Informationen zur Entstehung des Virus beinhalten, sondern hauptsächlich das Leben eines durchschnittlichen Einserschülers an der Uni, an der er sich in die Freundin seines besten Freundes verliebt. Wie man so viel darüber schreiben kann? Man frage Cronin. Und dazu beisteuern, dass man mit Zero Mitleid empfindet oder sein Handeln verstehen lernt, tun diese vielen Seiten ebenso nicht. Sprachlich sind sie zwar schön zu lesen, da Zero sich einer etwas älteren Sprache bedient, doch wie gesagt, nützlich waren sie nicht.
Es gibt neben diesen unnötigen, aufgeblasenen oder langwierigen Passagen allerdings auch wirklich packende Handlungsstränge. Auch wenn Cronins Pacing durch die Dicke von Die Spiegelstadt gewöhnungsbedürftig ist, so ist besonders das sanfte Streuen von Hinweisen, dass die Virals zurückkehren werden, wirklich atmosphärisch und zum Teil unheimlich gestaltet. Man bekommt das Gefühl vom Übergang zurück, der als erster Teil der Trilogie am ehesten als Horrorroman bezeichnet werden kann. Allgemein ist die Stimmung sehr gelungen, da sie zum einen zwar die rauen und zum Teil öden Anfänge der Gründung einer Zivilisation zeigt, andererseits mit der Zeit eine gewisse Anspannung in der Luft liegt, die sich von Kapitel zu Kapitel minimal steigert. Während der Zero-Backstory geht dieser Spannungsbogen leider vollkommen flöten, kehrt jedoch in der Mitte, in der die Virals ihre Rückkehr haben, mit voller Wucht zurück. Man kann in diesen Momenten das Buch gar nicht zur Seite legen, weil man einem Rennen gegen die Zeit folgt, in dem Menschen gegen mutierte Monster keine Chance zu haben scheinen, besonders mit so vielen Komplikationen, die ihnen den Weg versperren. Doch nicht nur wegen des Zeitdrucks ist es spannend, auch beschreibt der Autor unbeschönigt, wie grausam und rücksichtslos Menschen sein können, wenn ihr eigenes Überleben auf dem Spiel steht. Man sieht nicht nur, wie Mitmenschen ohne nützliche Talente für einen Wiederaufbau im Stich gelassen werden, auch das Niedertrampeln oder Töten anderer, nur um selbst einen Platz unter den wenigen Entkommenen zu bekommen, kann einen wahnsinnig schockieren. Denn obwohl einen die Figuren trotz Cronins Ausführlichkeit ihrer Beschreibungen nicht sonderlich interessieren, in so aussichtslosen und archaischen Situationen kann man diese Ungerechtigkeit und zugleich naturbedingten Selbsterhaltungstrieb kaum übersehen.
Hätte das Buch auf dieser Note geendet, so wäre es noch ein solider Abschluss der Reihe mit kleinen Schwächen. Allerdings entscheidet sich Cronin in letzter Minute dazu, es doch noch einen Showdown zwischen den misslungenen Giganten Amy und Zero kommen zu lassen, und beschreibt diesen so diffus und verwirrend, dass man kaum einen Durchblick darüber hat. Schöner wäre es gewesen, wenn er es bei der Flucht vor den Virals belassen hätte und sich nicht die letzten 200 Seiten mit den beiden Personen beschäftigt hätte, die einen am wenigsten interessieren. So hat er leider sämtliche Spannung, die er aufgebaut hat, wieder nach und nach verpuffen lassen, und das obwohl es gespickt ist mit viel (konstruierter) Action und Melodramatik. 
Der Epilog nach diesem gigantischen Kampf ist sehr von dem individuellen Geschmack des Lesers abhängig und wird von vielen Seiten kritisiert, jedoch betont es Cronins Absicht, wirklich ein Stück der Geschichte der Menschheit zu erzählen und wie Menschen mit ihrer eigenen Geschichte umgehen. Dies fasst die gesamte Handlung der Bücher in aller Kürze zusammen und bezieht sich auch darauf, weshalb Cronin diesen religiösen Hauch in der Geschichte braucht.



Das Buch lässt einen sehr zwiespältig zurück. Denn auf der einen Seite bietet Cronin einem ein überzeugendes Zukunftsszenario, in dem die Menschen endlich versuchen, der Apokalypse zu entfliehen und in einem letzten Kampf versuchen, ihre eigens erschaffenen Ungeheuer zu überwinden. All das World-Building, das einem die Arbeit, die gesellschaftliche Situation sowie die zarten Anfänge der Politik zeigt, ist sehr gut durchdacht und wird in aller Länge gezeigt. Doch diese Länge behält sich der Autor schon seit Band 1 bei, um nicht notwendige Details aus dem Leben der Charaktere zu erzählen, die sie einem weder näher bringen noch den Leser dazu bringen, mit ihm mitzufiebern. Es ist die Menschheit, um die man sich sorgt, nicht jedoch die Individuen, die einem vorgestellt werden. Besonders die Anführer der ,,Guten'' und ,,Bösen'' sind einfach nur langweilig und austauschbar, weswegen man die Opferbereitschaft vieler, nur um Amy zu beschützen, oft nicht nachvollziehen kann. Zusätzlich mit einem sonderbaren Pacing ein Buch, das wahrscheinlich Liebhaber von Längen und dicken Büchern wird an sich binden können, nicht unbedingt jedoch andere Arten von Lesern.





Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen


Extra:


Vor seinem apokalyptischen Epos hat Cronin mit unter 400 Seiten einen recht kurzen Roman namens The Summer Guest geschrieben. Der Klappentext verrät nicht viel, allerdings scheint es darin um einen Bankier namens Harry Wainwright zu gehen, der sich einen ruhigen Platz zum Fischen suchen möchte und dabei sein Leben reflektiert. Und in diesem Fischer-Camp trifft er zum Teil auch auf andere Menschen aus seiner Vergangenheit wieder, die durch die Kriege in Italien und Vietnam gezeichnet wurden. Wer da Interesse an Rezensionen hat, der kann gerne hier nachlesen :3

Quelle: ©  Dial Press
CU
Sana

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