Freitag, 8. Mai 2015

►Film-Rezension◄: East is East

Grundwissen:


Titel: East is East (original: East is East)
Regisseur: Damien O'Donnell
Produktionsfirma: Film Four; Assasin Films; BBC Films
Erschienen: 1999
Dauer: 96 Minuten (1 Stunde, 36 Minuten)
Altersfreigabe: FSK 6
Genre: Contemporary; Drama; Comedy
Preis: 5, 97 € (DVD)










Inhalt:


Salford, England, 1975: In einer kleinen Stadt in England leben George und Ella Khan zusammen mit ihren Kindern augenscheinlich friedlich zusammen. Doch der Schein trügt: Als gläubiger und traditioneller Muslim und das höchste Tier im Haus als Vater geht George davon aus, dass seine Kinder eine ebenso traditionelle Erziehung genießen müssen wie er selbst. Ist er da, so verhalten sich Meenah, Nazir, Sajid, Abdul, Maneer, Tariq und Saleem auch so - doch insgeheim treffen sie sich mit englischen Freunden, essen Fleisch und nehmen an christlichen Prozessionen teil. Die Mutter unterstützt sie dabei tatkräftig, jedoch verschlimmert sich die Situation, als Nazir vor seiner arrangierten Hochzeit davonrennt und George somit in eine radikale und gewalttätige Spirale bewegt ...





Meine Meinung ...





zum Film:




,,Oh, East is East, and West is West, and never shall the twain meet [...]'' - auf diesem Auszug des Gedichtes The Balad of East and West basiert der erste Teil dieser in Großbritannien ziemlich erfolgreichen Filmreihe. Aufgrund der Thematik kann man dies natürlich verstehen. Das Aufeinandertreffen zweier so verschiedener Kulturen und der Zerrissenheit zwischen seiner eigentlichen Herkunft und den Reizen eines Neuanfangs und eines neuen Landes bieten sehr viel Konfliktpotential und auch die Chance, sehr viele emotionale Szenen und Passagen einzubauen. Vor allem die Problematik zwischen älteren und jüngeren Generationen, die dazu tendieren, immer weiter auseinanderzudriften, ist ein sehr ideenreicher Ansatz und thematisiert somit auch etwas, was wohl jeder second-generation immigrant, möge er in Deutschland oder Großbritannien leben, kennt. Die Eltern, die einen versuchen zu erziehen, wie sie erzogen wurden, und einen somit gegebenenfalls in eine Rolle drängen, die man genötigt ist zu spielen, obwohl der eigene Charakter sich überhaupt nicht mit diesen Vorstellungen deckt.

Dies ist in East is East ziemlich treffend und auch realistisch dargestellt. George als Immigrant, der zudem indische Nachrichten hört und sieht und sich über Christen lustig macht, geht nämlich überhaupt nicht auf die Wünsche seiner Kinder ein, sondern hält es für ganz selbstverständlich, dass sie seine Anweisungen widerstandslos und ohne jegliches Hinterfragen befolgen. Im Kontrast dazu gehen Ella und ihre gemeinsamen Kinder natürlich auf seine Wünsche bzw. Befehle ein, jedoch kann man feststellen, dass sie dies nur tun, um Konflikte zu vermeiden, jedoch auch nicht den Dialog suchen. Diese Schwäche von beiden Seiten finde ich äußerst schön inszeniert, da so der Rollenkonflikt sehr gut deutlich wird, jedoch auch, dass sie sich nicht besser verhalten als der patriarchische George und auf ihn ebenso herabschauen, wie er auf sie. Man kann es damit vergleichen, dass man mit einem vierjährigen Kind ein Spiel spielt und absichtlich verliert, nur damit das Kind nicht jammert, sich jedoch daraus Arroganz und fehlender Umgang mit Verlusten und Misserfolgen entwickelt.
Dies merkt man zunehmend bei dem Verlauf des Filmes: George scheint zu immer radikaleren und physisch gewalttätigen Mitteln zu greifen, um seine Ziele durchzusetzen, und legt damit seine Verzweiflung über seine Gesamtsituation dar. Natürlich ist er dem Zuschauer aufgrund dieses Verhaltens alles andere als sympathisch, jedoch ist er dennoch ein ziemlich plastischer Charakter, auch wenn sein Verhalten zumindest bei mir einige Fragen aufgeworfen hat, die nicht beantwortet wurden. Beispielsweise, warum er die künftigen Partner seiner Söhne und seiner Tochter auswählen möchte, wo er doch selbst seine erste Frau, mit der er zwangsverheiratet worden ist, verlassen und selbst eine britische Frau geheiratet hat. Dies macht ihn nämlich zu einem sehr großen Heuchler, weswegen er umso mehr Missgunst im Zuschauer erweckt.
Dennoch ist er derjenige, zu dem man noch die beste Beziehung aufbauen kann. 

An Ella beispielsweise ist nicht klar geworden, zu wem sie denn nun eigentlich hält, denn auf der einen Seite verteidigt sie ihren Ehemann, selbst nachdem er Schreckliches getan hat, auf der anderen Seite jedoch trägt sie dazu bei, dass der britische Lebensstil ihrer Kinder im Verborgenen bleibt. An sich ist Ella nämlich eine starke und selbstständige Frau, die jemanden wie George an ihrer Seite überhaupt nicht bräuchte, aber dennoch lässt sie all dies zu und äußert ihre Meinung nahezu den gesamten Film über nicht. Dieser Widerspruch in ihrem Charakter stört enorm und wirft die Frage auf, was genau diese Frau symbolisieren soll.
Die Kinder der beiden - die meisten davon im Teenageralter - sind ebenso nicht besonders greifbar. Natürlich kann man aufgrund ihrer bloßen Menge nicht auf alle im Detail eingehen, jedoch hätte ein wenig mehr Input doch nicht geschadet, da selbst Abdul, der im späteren Verlauf der Geschichte noch eine große Rolle zugeteilt bekommt, sehr blass bleibt.
Man erkennt, dass sich alle von ihnen - mit Ausnahme von Maneer - in die britische Kultur eingebürgert haben und mit dem Islam und östlicher Kultur überhaupt nichts am Hut haben. Tariq ist ein Womanizer, hat eine englische Freundin und konsumiert Alkohol, Sajid ist mit dem Nachbarsjungen Earnest befreundet und wurde trotz Ellas Versprechen nie beschnitten, Meenah tanzt zwar gerne zu indischer Musik, hat jedoch ihr Kopftuch durch Fußball eingetauscht, und Saleem studiert Kunst, ausgerichtet auf die Sexualität des menschlichen Körpers, was ja ein Tabu im Osten ist. Dies ist sehr gut klar geworden, jedoch scheinen die Beziehungen relativ ambivalent und die tatsächlichen Charakterzüge der Geschwister sind auch eher nur angerissen worden. Vor allem bei einem Film, in dem es um die schwierige Situation einer Familie geht, hätte eine genauere Skizzierung dieser Verhältnisse nicht geschadet.
Was wiederum gelungen ist, ist die Verwendung von Stereotypen, um einen unterschwelligen Humor im gesamten Film zu garantieren. Vor allem Tariqs blonde und mäßig intelligente Freundin Stella und deren beste, eher korpulentere Freundin, die Stella bei allem imitiert und sich nach ebenso viel Aufmerksamkeit sehnt, haben viel Situationskomik in den ernsteren Szenen aufkommen lassen und können den Zuschauer tatsächlich zum Lachen bringen. Außerdem wird sehr viel mit typisch britischer Derbheit und Sarkasmus gespielt, was natürlich die humorvolle Seite dieser dramatischen Komödie noch verstärkt. Und dies ist definitiv notwendig bei all den traurigen und psychisch und physisch zerstörerischen Szenen, die durch den ganzen Film verteilt sind. Vor allem durch die gute bis sehr gute Leistung der Schauspieler wird der Zuschauer umso mehr vom Schicksal der Khans betroffen, sodass auch die ein oder andere Träne fließen kann. Machtspielchen, Manipulation, Geschrei, Schläge, Weinen - all dies trägt dazu bei, dass der Film sich sehr stark ins Gedächtnis des Zuschauers einbrennt und einen auch mit einem sehr negativen Gefühl zurücklässt. In so vielen Szenen tauchen Ideen auf, wie man diesen und jenen Konflikt hätte vermeiden können, was hätte gesagt werden müssen, damit George keinen Wutausbruch bekommt, und es zerreißt einem das Herz, dass diese Familie einfach nicht fähig ist, miteinander zu kommunizieren und aufeinander zuzugehen - denn daran zerbricht sie, und an diesem Zerbrechen zerbrechen sie umso mehr. Und diese Kunst, sowohl Ernst als auch Humor in einen solchen Film zu bringen und den Zuschauer zwischen Härte und Gags, Lachen und Weinen schwanken zu lassen, macht East is East zu etwas ganz Besonderem.
Jedoch kann der Film einen auch in sehr verwirrtem Zustand zurücklassen. Dies rührt vor allem daher, da man sich nicht wirklich sicher ist, was man von diesem merkwürdigen Ende halten soll. Bis dahin hat Damien O'Donnell es geschafft, eine kontinuierlich steigende Klimax aufzubauen und das Interesse des Zuschauers zu halten, doch meiner Ansicht nach waren die letzten beiden Szenen unnötiger Ballast für dieses Drama. Natürlich kann man dies als Andeutung auf einen zweiten Teil verstehen, jedoch wäre ein offenes Ende - was mit Weglassen dieser beiden Szenen erreicht worden wäre - angemessener gewesen und hätte das Gefühl der Bitterkeit dem Zuschauer auch für die Zeit nach dem Beenden des Filmes mitgegeben. So, wie es die Produzenten gemacht haben, lässt das Ende zu viele Fragen offen, vor allem bezüglich der Frage, wie es zu den Situationen in den letzten beiden Szenen kommt und wie viel Zeit überhaupt verstrichen ist. Von daher hinterlässt dies eher gemischte Gefühle, sodass man sich fragt, ob man dieses Ende auch als Einziehen des Schwanzes betrachten kann.
Als letzten Punkt ist noch anzuführen, dass die Intention dieses Filmes nicht ganz klar zu erkennen ist. Einerseits will man natürlich die Konflikte darstellen, die zwischen West- und Ostkultur entstehen können, jedoch stellt sich auch die Frage, ob die Darstellung dieser muslimischen Familie nicht doch die Vorurteile, die man von solchen Familien haben könnte, auf negative Weise bestärkt, den Islam somit in gewisser Weise in den Dreck zieht und zu einer negativen Einstellung gegenüber Immigranten aus diesem Bereich der Welt führen könnte. Vor allem bei den letzten Ereignissen und Diskussionen in der Politik, dem Anschlag auf Charlie Hebdo, der IS etc. bin ich mir nicht sicher, ob dieser Film objektiv genug ist. Natürlich, er wurde noch vor dem Jahre 2000, vor all diesen aktuellen Geschehnissen produziert, aber dennoch könnte es insbesondere heute ein schlechtes Bild auf diese uns sowieso schon so fremde Kultur werfen, insbesondere wegen Georges dominanter, gewalttätiger und heuchlerischer Figur. Insofern bin ich mir nicht sicher, ob dieser Film nicht doch eher dazu dienen soll, britische Kultur zu promoten und östliche hingegen in einem schlechten Licht darzustellen. Aber wenn man schon einen Film über so etwas dreht, muss man sich immer auf ablehnende und empfindliche Stimmen einstellen, weswegen ich nicht sicher bin, ob diese Überlegung überhaupt gerechtfertigt ist.




Insgesamt ein passabler und solider Film über zwei aufeinandertreffende Kulturen und einer Familie, die an dem Fehlen einer eindeutigen Identität und zu großen Unterschieden zwischen Jung und Alt zerbricht. Jedoch hat dieser Film nicht nur dramatische, sondern auch humorvolle Momente und sorgt somit für eine emotionale Achterbahnfahrt beim Zuschauer, vor allem da die Thematik immer aktuell sein wird, denn es wird immer Konservative und Moderne geben. Nicht so gut gezeichnet sind die Charaktere, da man zu wenig über sie erfährt, um sie tatsächlich als die individuelle Familie Khan, und nicht bloß eine spontan herausgepickte muslimische Familie zu sehen, ebenso wie die stereotypischen Nebencharaktere keine Originalität besitzen und nur zum Lachen und An-den-Kopf-Fassen sind. Zudem könnte dieser Film sowohl für Muslime, als auch Menschen der westlichen Kultur einen zu verzerrten Eindruck über die östliche Kultur hinterlassen und so zu einer gegenseitigen Abneigung beitragen, die auf alle Fälle vermieden werden muss. Berührend ist er insofern schon - doch ob er den pädagogischen Wert besitzt, mit dem er prahlt, ist fraglich.




Ich gebe dem Film:


♥♥♥.♥ Herzchen (3.67)





Extra:


Wie bereits erwähnt gibt es einen zweiten Film über die Familie Khan. Dieser heißt West is West und wurde im Jahre 2010 produziert (der Großteil der Schauspieler wurde hierbei neu besetzt) und spielt wohl die meiste über in Pakistan. Sollte euch dies neugierig machen, so klickt hier, um zum Trailer zu kommen.


CU
Sana

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