Montag, 24. August 2015

:)Rezension:): Cry Baby

Grundwissen:


Titel: Cry Baby - Scharfe Schnitte (original: Sharp Objects)
Autor/-in: Gillian Flynn
Erschienen: 2007 im Fischer-Scherz-Verlag (Hardcover); Januar 2014 (broschiert) im Fischer-Scherz-Verlag
Seitenanzahl: 332 Seiten
Preis: 12, 99 € (broschiert); 9, 99 € (Kindle Edition)
Genre: Adult; Thriller; Mindfuck; Mystery




Inhalt:


,,Sometimes if you let people do things to you, you're really doing it to them.”  - Amma



,,Babydoll'' steht auf ihrem Bein. ,,Petticoat'' auf ihrer linken Hüfte. ,,Böse'' findet sich ganz in der Nähe. ,,Girl'' prangt über ihrem Herzen, ,,schädlich'' ist in ihr Handgelenk geritzt. Camille Preakers Körper ist übersät mit Wörtern. Wörtern, die sie sich in die Haut geritzt hat. Das letzte Wort, das sie sich einritzte, hieß ,,verschwinden''. Danach stellte sie sich. Den Therapeuten, aber auch ihrer Vergangenheit. In ihrer alten Heimatstadt Wind Gap wurden zwei Teenager entführt und ermordet. Camille Preaker soll den Fall für ihre Zeitung vor Ort recherchieren. Sie findet die Dämonen ihrer Kindheit. Und die verbreiten nicht nur Angst und Schrecken, sondern töten auch.



*Quelle: amazon.de



Meine Meinung ...




zum Cover:



Amerikanisches Cover Nr. 1: ♥♥♥
Amerikanisches Cover Nr. 2: ♥♥♥♥


Deutsches Cover Nr. 1: ♥♥


Deutsches Cover Nr. 2: ♥♥









































Wie es bei Gillian Flynn wohl üblich ist, haben auch diese Cover eine eher schlichte Gestaltung und besitzen außerdem immer ein ähnliches Motiv: Die Klinge bzw. die Nadeln auf dem zweiten amerikanischen Cover. Dies passt wohlgemerkt auch zu unserer Protagonistin, da sie sich selbst Worte in den Körper geritzt hat und generell Vieles an diesem Buch von Psychosen und Selbstverletzung nur so strotzt. Aus diesem Grund passt das Cover mit seiner schlichten Schwärze und dem einen Objekt im Mittelpunkt ganz gut zur Geschichte, ist aber nunmal keine Augenweide dabei.
Was mich jedoch irritiert, ist die Auswahl des Titels. Sharp Objects ist natürlich eine gute Wahl, nicht nur aufgrund der schlechten Angewohnheiten der Protagonistin, sondern auch aufgrund der ganzen Thematik des Buches im Allgemeinen. Dies in Scharfe Gegenstände zu übersetzen hätte sich nicht schön angehört, also muss man dies natürlich in etwas Anderes verpacken. Doch ... Cry Baby? Nun gut, bezieht man dies darauf, dass es Kinder sind, die in diesem Einzelband ermordet werden, so ergibt das noch durchaus einen Sinn. Doch was einen schlichtweg wütend macht, ist dieser Untertitel, Scharfe Schnitte. Was hat man sich dort denn bitte gedacht? Soll das kohlrabenschwarzer Humor sein? Diese Auswahl, um nicht nur mit dem Motiv, sondern auch textlich darauf hinzudeuten, dass Camille sich ritzt? Das ist doch krank.
Aber unter dem Motto krank steht dieser Thriller ja sowieso.





zum Buch:





Es gibt diese Bücher, die einen verstören. Einen so emotional aufreiben, dass man nicht mehr weiß, ob man nun auf positive oder negative Weise davon gefesselt ist. So krank sind, dass man sich physisch und psychisch während des Lesens unwohl fühlt und am Ende überhaupt nicht einschätzen kann, was man von diesem Buch halten soll.
Cry Baby gehört definitiv zu dieser Sorte von Romanen. Denn was als Auftrag für eine junge Journalistin anfängt, entwickelt sich im Laufe der Handlung zu einer tragischen und surrealen Spirale, aus der es scheinbar kein Entrinnen gibt. Und dies vermittelt die Autorin nicht nur durch die grobe Skizzierung ihrer Geschichte, sondern vor allem durch die geschaffene Atmosphäre. Selten gibt es Bücher, bei denen sich einem die Nackenhaare aufstellen oder bei denen man jede Seite die Stirn runzeln muss, weil einem so derartig unwohl wird. Die Trostlosigkeit der Kleinstadt Wind Gap wird auf sehr realistische Weise beschrieben, sodass die negativen Assoziationen, die Camille zunehmend bekommt, keinesfalls verwunderlich sind. Eine Stadt, in der jeder jeden kennt, sich nie etwas verändert, und die Jugendlichen und Erwachsenen nichts Besseres mit sich anfangen wissen, als sich aus purer Verzweiflung über ihre biedere Umgebung zu betrinken. Von daher hat Gillian Flynn wirklich ein Händchen dafür, uns die Verhaltensweisen diverser Figuren nahe zu bringen und uns zusätzlich nahezulegen, was an diesen beengenden und kleinen Orten so oft unglücklich und unzufrieden macht. Zusätzlich dazu passt sich Flynns Schreibstil sehr an die allgemeine Ruhe und Langeweile an diesem Ort an, da man das Gefühl hat, träge und schlapp durch die Geschichte zu gehen. Dementsprechend wenig geschieht auch an der Oberfläche, sodass man nicht direkt von Spannung sprechen kann. Jedoch wird der Leser trotzdem gefesselt, alleine durch die Gesamtstimmung des Buches, die einem das Gefühl gibt, in der Schwebe zu sein und als seien alle Ereignisse und alle Eindrücke geprägt von Irrealität.
Dies vermittelt die Autorin jedoch auch durch die Figuren in ihrem Buch. Nein, nicht nur die Protagonistin Camille hat ihre mentalen Probleme und Besonderheiten, sondern die Stadt generell scheint verkorkst, und zwar nicht in der Art und Weise, dass es noch amüsant ist, sondern in derjenigen, dass man überlegt, ob man sich nicht in einer Art Paralleluniversum befindet und diese Charaktere allesamt nur zerbrochene Spiegelbilder er tatsächlichen Charaktere sind. Eine derartige Palette an psychotischen Charakteren habe ich nämlich noch nie in einem Buch angetroffen. Wer denkt, dass Camille mit ihren vom Narben übersätem Körper schon krass ist und sie diejenige mit den größten Mentalitätsproblemen ist, der sollte sich auf eine Reihe von noch spezielleren Figuren einstellen, wie beispielsweise ihre Mutter, die sich selbst Wimpern herauszupft, wenn sie gestresst ist, oder ihre Stiefschwester Amma, die zwischen verschiedenen Persönlichkeiten wechselt, als läge sie andere Kleidung an. Demzufolge ist es wirklich schwierig, jemanden zu finden, mit dem man aufrichtig sympathisiert und bei dem man sich wohl fühlt, sollte er auftauchen. Natürlich sind es trotzdem wahnsinnig interessant gestaltete Charaktere, die für jeden Hobbypsychologen ein gefundenes Fressen wären, jedoch tragen sie deutlich dazu bei, dass man sich innerhalb des Geschehens unwohl fühlt. Auch wenn dies von der Autorin beabsichtigt ist, so kann man doch nicht sagen, dass einem die Geschichte durch derartig zerbrochene und zerschundene Personen wirklich Spaß macht. Es mag wohl Geschmackssache sein, aber entweder man fiebert aufgrund dieser Ungewöhnlichkeiten mit den Figuren mit und kann sich so umso besser in die Geschichte hineinversetzen, oder aber man findet überhaupt keinen Zugang zu diesem Werk und regt sich über diese durchdringende Negativität auf. Jeder scheint in seinem eigenen Gefängnis gefangen zu sein, niemand kann wirklich von Glück in seinem Leben sprechen, und zusätzlich mit den Morden, die schwer auf der Stadt lasten, ergibt das eine riesige Menge an Depressivität, die den Leser buchstäblich erschlägt.
Aus diesem Grund fühlt man sich Camille in gewisser Weise verbunden. Zwar kennt sie ihre Heimatstadt von früher, ist jedoch ebenso ein Eindringling wie der Leser, und bekommt dies sowohl von ihrer Familie, als auch von den restlichen Einwohnern Wind Gaps zu spüren, und nimmt somit die Rolle des Außenseiters ein, zu dem sie sich sowieso schon selbst gemacht hat. Ihre Vergangenheit Stück für Stück aufgeklärt zu bekommen und herauszufinden, inwiefern sie mit den Morden zusammenhängt, ist wirklich interessant gestaltet und auch der Ton, in dem Camille ihre Geschichte schildert, kann den Leser durchaus fesseln, da sie dies mit einer solchen Kälte schildert, dass man sie am liebsten schütteln würde. Eine Person, die definitiv nicht gesund ist, in den Alkoholismus rutscht und von Selbstwert wohl nie etwas gehört hat. Ob man mit einer solchen Hauptperson klarkommt, liegt wohl im Auge des Betrachters, jedoch kann ich sagen, dass ich mir eine interessantere Person gewünscht hätte. Denn trotz ihrer Hintergründe ist ihre Wirkung als Charakter nicht besonders groß, ihr angeblich so tolles Talent für Journalismus kommt überhaupt nicht ans Tageslicht und außer in ihrer Vergangenheit zu schwelgen und sich dafür zu schämen ist sie doch eher eine passive Protagonistin, die sich lieber ihrer selbst und keinem Mord annehmen sollte.
Der einzige Nebencharakter, der halbwegs den Anschein eines gewöhnlichen Mannes hat, ist der Love-Interest Camilles, was ganz und gar nicht gespoilert ist, da schon von ihrer ersten Begegnung an klar ist, wo die beiden enden werden. Diese Liebesgeschichte wirkt zudem nicht nur klischeehaft, sondern auch erzwungen, vor allem da Sex hier nicht die Rolle einer Vereinigung von zwei sich liebenden Menschen einnimmt, sondern eher die einer Fluchtmöglichkeit aus der Realität. Von daher dreht sich auch hier alles um die Rettung aus dem kleinen Wind Gap, und dies war dann doch zu hoffnungslos und Schwarzmalerei. Nicht nur bei Camille spiegelt sich dies wieder, sondern auch bei allen anderen Jugendlichen Wind Gaps - sogar ihrer dreizehnjährigen Schwester. Hätte die Autorin nicht wenigstens eine Person einführen können, die nicht verbittert ist? Die etwas Farbe in diese graue Ödnis aus Figuren gibt? Die nicht unter diversen Persönlichkeitsspaltungen zu leiden scheint?
Zudem ist des Rätsels Lösung wirklich kein großes Geheimnis. Die Autorin hält dem Leser nur wenige Möglichkeiten vor Augen, wer der Täter sein könnte, und ungefähr die Hälfte davon schließt man relativ bald aus. Insofern schafft es die Autorin nicht wirklich, mit den Ergebnissen der Maskerade zu überraschen, sollte man wirklich aufgepasst haben. Zwar versucht Flynn, einen an der Nase herumzuführen, jedoch gelingt ihr das nur halbwegs. Vor allem der Epilog hält einige Überraschungen bereit, die noch gestörter sind als der Rest des Buches, weswegen es insgesamt den Anschein hat, als hätte die Autorin das Buch bis zu dem Moment des Epilogs mit Kleinstadtleben und inneren Monologen gestreckt, nur um in den letzten Seiten des Buches noch einmal richtig auf den Putz zu hauen. Positiv auf der einen Seite, da man auch nach dem großen Finale noch gefesselt war, negativ jedoch, dass das Buch nicht von Anfang an hätte so actiongeladen sein können.
Das Positive daran ist jedoch, dass Flynn den Leser wirklich geschickt und gut in die Charaktere einweist. Auch wenn man das Gefühl hat, dass sie alle einen leichten bis tonnenschweren Knicks in der Birne haben, die Verhältnisse untereinander sind dennoch klar gezeichnet und üben auch eine faszinierende Wirkung auf den Leser aus, vor allem Camilles Familie. Es gibt so viele Probleme und Konflikte, dass die emotionale Tiefe dieses Buches so hoch ist wie in selten einem Buch. Vor allem den inneren Konflikt Johns, dem Bruder eines der ermordeten Mädchen, gefällt einem außerordentlich gut, da man sich so gut in den Jungen hineinversetzen kann, der seine Schwester verloren hat und der in nichts Trost finden kann. Er ist mitunter auch einer der Charaktere, die noch halbwegs sympathisch sind, auch wenn er im Laufe der Handlung einige Fehler macht. Doch nicht nur ihn kann man verstehen, sondern auch die Mütter, die dank dieses ganzen Terrors nur noch jammernde Häufchen Elend sind. Vor allem Leser, die selbst Kinder haben, dürften sich sehr gut mit alldem identifizieren, allen voran zu Camilles Mutter, die den Tod ihrer Tochter niemals verwunden hat. Insofern gelingt es Flynn, den Leser durch all die Möglichkeiten zur Identifikation zu binden und auch tatsächlich mit diesen Menschen, die alles andere als glücklich oder gut sind, mitzufühlen.




Alles in allem ist dies bestimmt kein schlechtes Debüt. Dass die Autorin tiefgründige und berührende Figuren erschaffen kann und es so schafft, den Leser in das langweilige kleine Wind Gap mit einzuspannen, als sei man selbst dabei, zeugt schon davon, dass sie wirklich großen Wert auf die Glaubwürdigkeit ihrer Personen legt. Jedoch hätte Camille aktiver handeln müssen, um die Geschichte fortzubewegen, denn nur das Zurückschauen in die Vergangenheit ist es nicht, was eine Handlung vorantreibt, auch wenn sie in diesem Buch eng miteinander verknüpft sind. Zudem kann man die Faszination für diesen Thriller verstehen, da alles an ihm - die Stimmung, die Personen, die Handlung - toxisch ist, und zwar in solch einem Ausmaß, dass es den Leser infiziert. Doch ich für meinen Teil hätte neben all dem Schmerz, der Verzweiflung und dem Terror auch einen kleinen Funken Hoffnung, Sympathie und eine ganze Menge mehr Aktion gebraucht. Insgesamt hätte ein wenig mehr Optimismus einfach nicht geschadet.





Ich gebe dem Buch:


♥♥.♥  Herzchen (3.5)




Extra:


Abgesehen von diesem Thriller hier hat Gillian Flynn bereits zwei andere veröffentlicht. Einer davon, Dark Places, wird gerade verfilmt und lässt sich hier finden, während Gone Girl: Das Perfekte Opfer bereits verfilmt wurde und sich die Rezension zum Buch hier auf meinem Blog finden lässt.

CU
Sana

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