Grundwissen:
♥Titel♥: Halbschatten
♥Autor/-in♥: Uwe Timm
♥Erschienen♥:
♥Seitenanzahl♥: 267 Seiten
♥Preis♥: 9, 90 € (Taschenbuch)
♥Genre♥: Historical Fiction; Biographie; Adult
Inhalt:
Richtig so, muss alles ganz runter, ganz kaputt sein, nur so kann was Neues kommen. - S. 253
Bei einem ihrer spektakulären Langstreckenflüge lernt die junge Fliegerin Marga von Etzdorf einen deutschen Diplomaten kennen und verbringt eine ungewöhnliche Nacht mit ihm, nah und doch getrennt. Wenig später, im Mai 1933, erschießt sie sich in Aleppo, Syrien. Was ist geschehen?
Uwe Timms Erzähler wandert Jahrzehnte später über den Berliner Invalidenfriedhof, wo Marga von Etzdorfs Grab liegt, aber auch die von Scharnhorst und Heydrich. Er hört die Stimmen der Toten, forscht nach Margas, nach unserer Geschichte.
*Quelle: amazon.de
Durch die variierenden Grautöne wirkt dieses Cover nicht sonderlich ansprechend, jedoch könnte man so zumindest bereits den Verdacht bekommen, dass es sich hier um einen Roman handelt, der in der Vergangenheit spielt, und zwar der Vergangenheit, die Deutschland am allerliebsten hat: Die Zeit des NS. Abgesehen davon passen diese Grautöne jedoch auch wegen der nostalgischen, düsteren Stimmung dieses Buches und natürlich wegen der dargestellten Person - Marga - und dem Flugzeug hinter ihr. Denn im Grunde dieses Wesens ist dieser Roman eine Biografie dieser Pilotin.
*Quelle: amazon.de
Meine Meinung ...
zum Cover:
Deutsches Cover: ♥♥♥ |
Durch die variierenden Grautöne wirkt dieses Cover nicht sonderlich ansprechend, jedoch könnte man so zumindest bereits den Verdacht bekommen, dass es sich hier um einen Roman handelt, der in der Vergangenheit spielt, und zwar der Vergangenheit, die Deutschland am allerliebsten hat: Die Zeit des NS. Abgesehen davon passen diese Grautöne jedoch auch wegen der nostalgischen, düsteren Stimmung dieses Buches und natürlich wegen der dargestellten Person - Marga - und dem Flugzeug hinter ihr. Denn im Grunde dieses Wesens ist dieser Roman eine Biografie dieser Pilotin.
Halbschatten klingt hierbei nicht nur geheimnisvoll und poetisch, sondern besitzt auch einen gewissen philosophischen Wert, der im Buch ab und an thematisiert wird, vor allem während dieser im Klappentext angedeuteten ganz besonderen Nacht.
Insgesamt erscheint das Buch also nicht wirklich wie etwas Besonderes. Und ist es auch nicht.
zum Buch:
Schullektüren sind bekanntlich die Lektüren, für die man am längsten braucht, um sie durchzulesen. Es kommen auch noch Notizen dazu, kleine Charakterisierungen, vielleicht die eine oder andere Recherche, um die Geschichte besser zu verstehen. Viele Schüler finden sie in den meisten Fällen auch wirklich schrecklich, ich bildete bis hierhin jedoch eine Ausnahme. Sieht man mal von Lenz ab, so hat auch jedes davon mindestens 3 Herzchen von mir bekommen, denn man kann immer eine kleine Moral daraus ziehen, und wenn man sich für geschichtliche Umstände interessiert, so können Lektüren einem auch eine Menge beibringen. Insbesondere über den damaligen Geschmack der Bevölkerung.
Ja, Halbschatten hält beides bereit, denn es gibt eine ganze Menge Anekdoten und Geschichten, die dem Leser über die schwärzeste Zeit der Menschheit berichten, und sich letztlich auch um Marga von Etzdorf ringen, der diese Zeit das Leben ebenfalls alles andere als leicht gemacht hat. Dies verpackt Timm in seinem Roman jedoch nicht bloß in dem Stadtführer, der seinem namenlosen Erzähler sämtliche dieser Details preisgibt, sondern auch in diversen toten Gestalten des Invalidenfriedhofs, die ihren Senf zu Margas Geschichte dazugeben, hingebungsvoll kommentieren und nebenbei auch ihre eigene kleine Tragödie erzählen; an vielen Stellen ist diese Tragödie sogar so klein, dass diese Charaktere im Nachhinein niemals wieder ihre Stimme erheben. Und abgesehen davon erzählt Marga selbst natürlich noch ihre Geschichte, die oft unterbrochen wird von diversem Stöhnen, Schreien, Menschen mit Sand im Mund und Regen. Von daher unterstreicht man die Düsternis dieser Zeit auch noch durch schrecklich viele Figuren, die allesamt unter dieser Zeit gelitten haben und nun alle auf dem Friedhof geendet sind.
Alleine deswegen ist dieses Buch viel zu schleppend. Grundlegend ist der Schreibstil Uwe Timms nicht schlecht, vor allem da er diese Nostalgie und die Spannung - sollte sie sich auf Dauer mal blicken lassen - damit sehr gut unterstreicht und er Emotionen einigermaßen gut rüberbringt. Zudem verleiht es dieser surrealen Situation eine noch größere Surrealität, weswegen man beim Lesen das Gefühl entwickelt, als stünde die Zeit still. Und genau deswegen fällt es so schwer, mal mit diesem Roman voranzukommen, denn er ist weder in Kapitel unterteilt noch besitzt er wörtliche Rede, weswegen man die ganze Zeit über mitdenken muss, um nicht den Überblick darüber zu verlieren, wann etwas nur erzählt, wann etwas gesprochen wird und wer, sollte etwas gesprochen werden, denn nun der Sprecher ist. Und selbst hochkonzentrierten Lesern wird dies an vielen Stellen misslingen, denn abgesehen von vier Personen agiert jeder nur als Statist, nur dazu da, um Timms überwältigende Kritik an Zeit des Nationalsozialismus rüberzubringen und kurz darauf wieder in der Masse der Grabsteine unterzutauchen. Wo der Sinn für dieses polyphonales Stimmengewirr liegt, bleibt einem leider verborgen, wenn man von der Tatsache mal absieht, dass Timm ganz offensichtlich zu der Sorte Menschen gehört, die meinen, ständig darauf rumreiten zu müssen, dass Deutschland früher der böse Bube war und man sich deswegen bis in alle Ewigkeit schämen muss. Warum sonst sollte man derartig viele irrelevante Personen und Kurzgeschichten heranziehen?
Dies ist auch das grundsätzliche Problem, das mich auf gewissen Ebenen dazu gebracht hat, dieses Buch tatsächlich zu hassen. Denn ich interessiere mich sehr für diese schwarze Zeit, es gibt kaum ein geschichtliches Thema, das interessanter wäre als das. Anekdoten und traurige Schicksale könnte ich sammeln, als wären es Briefmarken oder Zitate. Nicht jedoch, weil ich mich mein Leben lang für diesen Zeitabschnitt deutscher Geschichte schämen möchte und aus diesem Grund die ständige Vorhaltung all dieser Taten, an denen kein Deutscher der heutigen Generationen Schuld ist, sondern weil diese Geschichten eine seltsam schöne Tragik besitzen. Timms Geschichten jedoch nicht, woran der gute Mann jedoch selbst Schuld hat. Denn anstatt einen kleinen Funken Hoffnung in diese Anekdoten zu packen, den Leser darauf hinzuweisen, dass diese Zeiten vorbei sind und dass man nichts damit zu tun hat, bewirft er ihn quasi mit solchen Schrecklichkeiten, immer mit dem Nachklang, dass dies unsere Schuld gewesen ist und wir es verdienen, ständig mit dieser Schuld zu leben, auch im 21. Jahrhundert. Und dies ist eine Mentalität, die ich absolut nicht begreifen kann. Natürlich sollte man diese Zeiten nicht vergessen, man sollte nicht unter den Teppich kehren, was einst geschah, aber man sollte vergeben, man sollte weitermachen und auch die positiven Seiten dieser Periode sehen, schließlich folgte darauf doch die längste friedliche Zeit in Europa aller Zeiten. Aber nein, Herr Timm streut Salz in die Wunde, dank derer heutige Politik und Lebensführung mit gesenktem Blick und fehlendem Rückgrat gemacht wird, und zeigt mit dem Finger auf seine eigene Nation. Und vor allem aktuelle politische Ereignisse, wie die Aufnahme all dieser Flüchtlinge, obwohl dieses Land bereits mehr aufnimmt als andere und die Nazi-Zeit dennoch als Druckmittel benutzt wird, damit man noch mehr aufnimmt, sind in Kombination mit einem so üblen Roman überhaupt nicht zu ertragen. Denn die Grundbotschaft bleibt doch diese: Seht, was wir angerichtet haben. Seht, wie viele Menschen wegen uns leiden mussten. Seht, was für Monster wir waren. SCHÄMT EUCH DAFÜR. Dieses Buch dann auch noch für das Abitur im Jahre 2016 vorzuschlagen, geht doch entschieden zu weit, denn nein, wir sollten uns dessen nicht schämen, insbesondere nicht wir, die wir rein gar nichts für diese Zeit können. Doch anscheinend verstehen das nicht nur einfache Menschen aus dem Volk, sondern auch unser Bundestag und das Hessische Kultusministerium nicht. Von daher hat Timm es geschafft, dass ich sein Buch alleine aufgrund der Message und seinen Intentionen dahinter wirklich zu hassen gelernt habe.
Bleibt man bei der Haupthandlung, so muss man das Buch nicht zwangsläufig verachten, jedoch ist es auch alles andere als besonders gut. Alleine die von mir zuvor beschriebene Erzählweise macht es unfassbar schwer, sich in die Geschichte vertiefen und tatsächlich mitfiebern zu können, denn insgesamt dreht es sich ja darum, wer Marga genau gewesen ist und was ihre Gründe für ihren Suizid in Aleppo gewesen sind. Langsam und bedächtig werden Theorien dazu gespinnt, die meistens geschickt platziert sind und lange offen lassen, welcher aus diesen Gründen denn nun der wahrscheinlichste gewesen ist. Parallel dazu lernt man Marga kennen, und zwar nicht nur aufgrund ihrer Selbstbeschreibung, sondern auch aufgrund dessen, wie andere von ihr erzählen. Unglücklicherweise erscheint sie wie eine abgeschwächte Version einer Mary Sue, insbesondere, da Männer derartig von ihr schwärmen und sie generell immer alles richtig zu machen scheint. Natürlich ist sie durch ihre Stellung als eine der ersten Pilotinnen Deutschlands etwas Besonderes, aber von ihrem Wesen her besitzt sie eher die Wirkung eines sehr unsicheren Kindes und ist auch alles andere als speziell, auch wenn diverse Einschränkungen, aber auch Freiheiten, die sie durch ihre Verbindung zu den Braunen hat, insbesondere aus moralischer Sicht interessant waren. Vor allem wenn sie in Dahlems Nähe ist, scheint ihr Verstand eher flöten zu gehen, und diese Figur ist auch nicht gerade die sympathischste. Die Beziehung der beiden ist zwar durchaus spannend gewesen, vor allem da der eine in dem anderen so viel mehr sieht als der andere in dem einen, jedoch ist dies nicht genug, um den Leser am Ball zu halten. Generell ist die einzig Figur, die durchgehend interessant geblieben ist, eine Frau gewesen, die die Unnahbare genannt wird und diverse Soldaten während ihrer Kriegszeit bedient hat, denn sie hat noch die ungewöhnlichste Rolle im Gefüge. Ansonsten hat jede Person etwas, das sie einem nicht schmackhaft macht, und auch wenn interessante Ansätze vorhanden sind und wir einige wenige wirklich gut kennenlernen, Timm hat es doch nie geschafft, sie dem Leser so nahe zu bringen, dass man tatsächlich mit den Personen mitfühlt, mitleidet und mitlacht.
Denn vom emotionalen Pegel bietet dieser Roman aufgrund des Settings sehr viel. Zwar gefällt mir die Aussage dieses Romans nicht, aber es gibt doch sehr viele Schicksale, die trauriger und trostloser nicht sein könnten. Hätte Timm nicht wie ein Wilder mindestens zwanzig Personen auf einmal sprechen lassen und wäre so auf die ein oder andere Geschichte eher eingegangen, so hätte man definitiv eine emotionale Verbundenheit zu dem Cast entwickelt. So jedoch bietet der Autor nur Schnipsel, die einem vom Wind ins Gesicht geweht werden und hinfort geflogen sind, ehe man richtig erkennen konnte, was auf ihnen geschrieben steht. Aufgrund dieser Unübersichtlichkeit kann auch keine Spannung erzeugt werden, denn auch wenn der Autor dies so verworren erzählt, dass man rein theoretisch neugierig genug sein könnte, um alle Teilchen zusammenzufügen, es raubt einem doch Zeit und Nerven. Jede Seite fühlt sich an wie das Zehnfache, man verliert ständig die Orientierung, und eine kontinuierliche Geschichte existiert nur unter einer sehr dicken Schicht aus Fetzen. Insofern fühlt man selten Überraschung oder Wendungen aufkommen, was in Kombination mit fehlenden Sympathieträgern nicht das ist, was einen zum Weiterlesen antreibt.
Halbschatten könnte aufgrund seiner Thematik, Problematik und Biografie ein interessantes und lehrreiches Werk über die damaligen Umstände und wie sie selbst Marga von Etzdorf beeinflussten sein. Zudem gelingt es dem Autoren, in wenigen Worten eine Menge an den Leser zu vermitteln und die Melancholie, Nostalgie und Tragik in seinen Worten einzufangen. Jedoch ist der gesamte Aufbau der Geschichte zu konfus, um all den Statisten beim Erzählen folgen zu können und sich so eine Beziehung zu jeglichen Figuren aufzubauen. Am schlimmsten ist jedoch mit Abstand der erhobene Zeigefinger des Autors, der alle seine Leser zu Scham und Selbstverleugnung führen soll, denn auch wenn alle Figuren dieses Buches schlechte Erfahrungen gesammelt haben - keine nachfolgende Generation sollte diese nun ebenfalls durch diese Vergangenheit sammeln. Insgesamt also ein informativer Roman, der jedoch alleine aufgrund seiner Struktur und seiner Message keine Empfehlung ist.
Ich gebe dem Buch:
♥♥ Herzchen (2.33)
Extra:
Auch wenn sich dies nun wie eine Hasstirade gegen Uwe Timm angehört hat, so gibt es doch ein Buch von ihm, das mir sehr ans Herz gewachsen und definitiv empfehlenswert ist. Wollt ihr herausfinden, welches Buch dies ist? Dann klickt hier!
CU
Sana
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