Donnerstag, 29. März 2018

:)Rezension:): Ich bin böse

Grundwissen:



Titel: Ich bin böse (original: Good me, Bad Me)
Autor/-in: Ali Land
Erschienen: Februar 2017 im Goldmann-Verlag (Taschenbuch)
Seitenanzahl: 352 Seiten
Preis: 9, 99 € (Taschenbuch); 8, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre: Psychothriller; Mystery; Young Adult; Drama



Quelle: © Goldmann Verlag
Quelle: © Penguin Books























Inhalt:



''I rememby a story I read. A Native American tale where the Cherokee tells his grandson there's a battle between two wolves in all of us. One is evil, the other good. The boy also asks him, which wolf wins? The Cherokee tells him, the one you feed.'' - Annie/Milly (p. 56f.)





Annie führt kein einfaches Leben. Denn nicht nur macht es ihr die Tochter ihrer Pflegefamilie schwer, auch der Grund, weshalb sie von ihr aufgenommen wurde, macht ihr zu schaffen. Denn Annies Mutter ist eine pädophile Serienmörderin, die ihre eigene Tochter für ihre Taten eingespannt hat. Endlich hat Annie sich getraut, zur Polizei zu gehen, doch im Gegenzug wird sie vor Gericht gegen ihre eigene Mutter aussagen müssen. Die Person, zu der sie trotz allem eine tiefe Verbindung hat. Je näher die Verhandlung rückt und je mehr Mobbing sie ertragen muss, desto mehr fürchtet Annie so zu werden wie ihre Mutter. Insbesondere wegen der Nacht, in der sie sich entschied, ihre Mutter anzuzeigen ...




Meine Meinung ...



zum Buch:




Der Goldmann-Verlag preist Ali Lands Debüt als einen ,,psychologische[n] Spannungsroman'' an. Nicht ohne Grund, denn im Kopf der Tochter einer Serienmörderin in einem alltäglichen Setting zu sein bietet zwar nicht sonderlich viel Action, dafür aber eine Figur mit tiefgreifenden Problemen mitten in einer großen Zwickmühle.
Annie bzw. Millie ist nämlich der Dreh- und Angelpunkt dieses Buches. Anfangs erscheint sie einem wie der typische verschüchterte Außenseiter, jedoch wird schon mit den ersten Seiten ein ganz beklemmendes Gefühl aufgebaut. Ali Land verwendet eine sehr kurz angebundene, abgehackte Sprache, um Annies Gedanken zu beschreiben, verbunden mit teilweise sehr poetischen Bildern. So hat man von Beginn an Mitleid mit ihr, da sie sehr schwach und traumatisiert erscheint, ein Opfer, das sich nun seinen Weg in die Normalität erkämpfen muss. Doch immer öfter hat die Protagonistin Gedankengänge, die überhaupt nicht zu ihrer Opferrolle passen; dabei sind ihr Verlangen nach Anerkennung bei ihrer Mutter noch das geringste Übel. Am besten zeigt es sich an dem Verhältnis zu ihrer Ziehschwester Phoebe, die ihr das Leben in der Schule zur Hölle macht und jede Gelegenheit nutzt zu zeigen, wer die ,,echte'' Tochter ist. Immer wieder streut Ali Land Gewaltfantasien ein, die Annie ihr gegenüber hat, und ab und an kommen auch Situationen auf, in denen äußerlich zwar Phoebe gewinnt, am Ende jedoch gezeigt wird, dass Annie sich einen Vorteil beschafft hat. Es ist äußerst subtil gestaltet und artet in einer Art Revierkampf der beiden Schwestern aus, fast so, als wolle Annie all die Psychospielchen, die ihre Mutter mit ihr getrieben hat, an diesem neuen Mädchen auslassen, jedoch viel weniger offensichtlich.
Dies verängstigt nicht nur den Leser, sondern veranlasst auch sie dazu infrage zu stellen, wer sie eigentlich ist. Denn wenn man unter einer psychopathischen Mutter aufwächst, mit ihr ihre Spielchen spielt, dazu gezwungen ist ihr zu helfen und keine andere autoritäre Rolle in seinem Leben hat - ist es da nicht wahrscheinlich, dass man irgendwann einige von ihren verqueren Gedankengängen aufnimmt? Ist es nicht sogar genetisch möglich, dass Psychopathie vererbbar ist und unter einer solchen Erziehung gedeihen kann? Hochinteressante Fragen, die zunehmend schwerer zu beantworten sind und Protagonistin wie Leser gleichermaßen verwirren. Hat es etwas mit ihrer Mutter zu tun, dass sie gut mit Kindern umgehen kann, oder ist es einfach ihre Persönlichkeit? Wie verhält es sich mit ihren Gewaltfantasien - sind sie ein Ergebnis ihrer Genetik oder ihrer posttraumatischen Belastungsstörung, die immer wieder unbewusst von Phoebe getriggert wird? Diese Gegebenheiten verbunden mit dem anstehenden Prozess ihrer Mutter, in der sie sich wird für ihre Komplizenschaft verantworten müssen, machen sie zu einem komplexen und sehr kaputten Charakter, den man weder mögen noch verabscheuen kann. Und das obwohl sie zu Beginn wie ein klischeehaftes Opfer gezeichnet wird.
Ebenso klischeehaft gezeichnet wird Phoebe, die zu Beginn dargestellt wird wie die typische 4.0 Bitch mit langen Fingernägeln und Feindseligkeit gegenüber der Protagonistin. Solche Feindbilder sind veraltet und werden immer nerviger, je mehr man von solchen flachen Antagonisten liest. Doch genauso wie bei Annie steckt mehr hinter dieser Fassade eines Mean Girls. Denn die Familie, in der sie aufwächst, ist alles andere als eine Bilderbuchfamilie, auch wenn sie auf den ersten Blick so erscheint. Sie hat große Schwierigkeiten mit ihren Eltern, insbesondere was ihr Bedürfnis nach Aufmerksamkeit betrifft, und ist so alles andere als gewillt, diese mit ihrer neuen Schwester zu teilen. Das mag zwar nicht neu sein, hat diesem ansonsten sehr zweidimensionalen Charakter jedoch Farbe und Tiefe verliehen. Es gibt sogar ein, zwei Szenen, in denen man Phoebe am liebsten umarmen möchte, und das zu schaffen, obwohl sie wirklich Unverzeihliches tut, ist ein Kunststück.
So ist dieser Psychothriller in seinem Kern ein Familiendrama und ein gutes Abbild davon, wie viel das Verhältnis zu seinen Eltern in der eigenen Charakterbildung ausmacht. Die Eltern sind weniger detailliert gezeichnet, insbesondere Annies Mutter, die bis auf ihre Psychopathie wenig zu bieten hat, allerdings zeigen sie alle ihre Ecken und Kanten durch ihr Scheitern oder auch ihre kleinen Erfolge in der Erziehung. Diese kleinen Erfolge sind bei der Hauptfigur und ihrer Mutter nur als krank zu bezeichnen und münden im Gerichtsprozess, der Annie an ihre Grenzen bringt. So wird neben dem Konflikt zwischen Annie und Phoebe auch viel Wert gelegt auf den Machtkampf zwischen Annie und ihrer Mutter, der anders ausgeht, als sich manch einer ausmalen kann. Vielleicht ist die Auflösung bei all den Informationen leicht zu erraten, jedoch ist der Weg dahin so krank beschrieben und gleichzeitig so verdreht logisch, dass man nur den Hut vor der Autorin ziehen kann.




Alles in allem ein ruhiger Thriller voller Psychospielchen, der mehr Aufmerksamkeit verdient. Wer sich viel Blut und Brutalität erwartet, wird enttäuscht werden, denn das meiste an Kämpfen spielt sich nur im Kopf und den Erinnerungen der Protagonistin ab. Diese ist allerdings das Faszinierendste an Ich bin böse, da sie hin und her gerissen ist zwischen dem, was richtig ist, und dem, was sie gelernt hat. Ali Land schafft es, dass sie sich selbst sowie der Leser ihr immer mehr misstraut und ihrer Erzählerstimme nicht mehr so glaubt wie noch zu Beginn der Geschichte. Sowohl ihre Rolle als Mobbingopfer an der Schule wie auch ihre falsche Liebe zu ihrer Mutter beschäftigen sie und tragen dazu bei, dass sie mental immer mehr an ihre Grenzen stößt. Der Aufbau zum Finale mag für den ein oder anderen vielleicht etwas langsam sein dafür, dass man schon eine Vermutung hat, was mit Annie eigentlich los ist. Lässt man sich jedoch auf die atmosphärische Langsamkeit des Buches ein, so wird man in ein krankes, verwirrtes Gehirn eingesogen, das einen selbst nach dem Lesen noch beklemmt. Ein wirklich gutes Debüt und etwas für all jene, die ruhige, klimatische Spannung bevorzugen!




Ich gebe dem Buch:



♥ Herzchen



Extra:



Hier der Buchtrailer auf Englisch. Wirklich sehr atmosphärisch vorgelesen :3


CU
Sana

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