Samstag, 21. April 2018

:)Rezension:): QualityLand

Grundwissen:



Titel♥: QualityLand
Autor/-in♥: Marc-Uwe Kling
Erschienen♥: September 2017 im Ullstein-Verlag (Hardcover)
Seitenanzahl♥: 379 Seiten
Preis♥: 18, 00 € (Hardcover); 14, 99 € (Kindle Edition) [Quelle: amazon.de]
Genre♥: Science Fiction; Dystopie/Utopie; Gesellschaftssatire; Comedy




Quelle: © Ullstein Verlag (für Pessimisten)
Quelle: © Ullstein Verlag (für Optimisten)
























Inhalt:



,,Durch das Einstufen einer Person und die daraus resultierende Beschränkung Ihres Angebotshorizonts sorgen Sie selbst dafür, dass jeder zu dem wird, von dem das System glaubt, dass er es sei!'' - Peter Arbeitsloser (S. 344)


In QualityLand ist alles optimiert: Freizeit, Arbeit und Beziehungen. Alles wird genaustens errechnet, vom idealen Partner auf QualityPartner bis hin zu dem Produkt von TheShop, das geliefert wird, lange bevor man weiß, dass man dieses Produkt überhaupt möchte. Ist man über Level 10, gilt man als nützlicher Bürger, ist man darunter, gilt man als Nutzloser. Peter Arbeitsloser ist ein solcher Nutzloser und bekommt mehr und mehr das Gefühl, dass etwas mit seinem Leben nicht stimmt, insbesondere nachdem er einen rosafarbenen Delfinvibrator bekommt und diesen nicht zurückgeben kann. Gleichzeitig liegt die Präsidentin des Landes im Sterben und muss durch einen der Kandidaten im Wahlkampf ersetzt werden. Entweder wird es ein rechtspopulistischer Star-Fernsehkoch oder aber ein eigens für die Kandidatur erschaffener Androide.





Meine Meinung ...




zum Buch:




Bestseller zu sein hat heutzutage eigentlich kaum noch eine Bedeutung. Spätestens mit Shades of Grey  und After Passion wurde bewiesen, dass sich wirklich alles verkaufen kann. Doch der neueste Roman des Känguru-Komikers ist seine Hypewelle definitiv wert und bietet eine grandiose Mischung aus stumpfen Slapstick-Humor und intelligenter Gesellschaftssatire.
Es wird wirklich alles aufs Korn genommen, was mit der heutigen Gesellschaft, ihrer Abhängigkeit zur Technik und ihrer Digitalisierung zu tun hat. Nicht nur leben die Menschen QualityLands in einem Land, in dem unzählige Roboter und Androiden die niedrigsten Arbeiten verrichten, auch kann man ohne Technik praktisch keinen Fuß mehr vor die Tür setzen. Auch der Bewertungswahn der heutigen Gesellschaft wird wunderbar parodiert, indem jeder zu einem Profil auf QualityPartner verpflichtet ist und dort in jeder erdenklichen Sparte kategorisiert werden. Wirklich alles wird dort festgehalten, und sie selbst haben keinerlei Einfluss darauf, was dort steht über ihre Flexibilität, Attraktivität, Arbeit und weiteres, was das Finden eines Partners in dieser Zukunft eher zu einem beidseitigen Bewerbungsgespräch degradiert. Durch die Algorithmen wird man nur noch mit dem konfrontiert, was als passend berechnet wird, und an Fehler wird nicht geglaubt. Folglich folgen die Bürger dieses Landes einem festgelegten Pfad, den sie infrage stellen dürfen und der schon seit ihrem Leben als Fötus zu berechnen ist. Natürlich ist die letzte Idee biologisch Quatsch, das ist jedoch nicht der Punkt all dieses Weiterspinnens von Kontrolle mit und durch das Internet, sondern vielmehr zu zeigen, für wie unfehlbar und vorgreifend man die Digitalisierung hält und wie weit mancher Konzern gehen möchte.
Vielleicht sind es nicht nur die Konzerne, sondern auch die Politik, denn auch in diesem Bereich lässt Kling es ordentlich krachen. Der genialste und zugleich simpelste Einfall, Neugeborenen die Berufsbezeichnungen ihrer Eltern zum Zeitpunkt der Zeugung als Nachnamen zu geben, brilliert nicht nur, weil so im Mittelalter Nachnamen entstanden sind, sondern weil er zeigt, wie wenig Möglichkeiten ein Kind aus einer sozial schwachen Familie hat aufzusteigen. Wird man als Nutzloser geboren, gibt es wahnsinnig viele Barrieren zu überwinden, um mehr aus seinem Leben herauszuholen als es einem seine Herkunft mitgibt. Wie häufig bekommen Kinder mit promovierten Akademikern als Eltern eher Uniplätze oder allgemein die Empfehlung zum Gymnasium, während diejenigen aus sozial schwachen Familien automatisch in ,,asoziale'' Ecken abgeschoben werden? Alleine durch seinen Nachnamen ist Peters Zukunft festgefahren und sowohl die allwissenden Algorithmen wie auch die Politik, die sich auf diese stützt, versuchen ihr Möglichstes, um ihn nicht in eine andere Richtung umschlagen zu lassen. Dies zeigt sich auch im Gesamtkontext des Wahlkampfes, in dem der Androide John of Us dafür geschaffen ist, die Situation zu verbessern, jedoch alle, einschließlich seines eigenen Wahlkampfteams, gegen seine innovativen Ideen vorgehen. Es zählen keine Argumente, keine Ideen für Fortschritt, sondern nur das leichte Lenken der Bevölkerung - eine Einstellung, die man doch eher einer Maschine zutrauen würde als einem Menschen.
Allerdings sind die Rollen dieser beiden Spezies in QualityLand nahezu umgedreht. Während einem nur wenige Personen sympathisch sind und die meisten durch ihre Abhängigkeit zur Technik es nahezu vollkommen verlernt haben, selbstständig zu denken, werden die Maschinen menschlicher und leiden sehr unter ihren Defekten. Von einer Schriftsteller-Androidin mit Schreibblockade über einen Sexroboter mit Liebeskummer bis hin zu einer Drohne mit Flugängsten lässt sich der Autor wirklich viele Nebenfiguren einfallen, die zwar nur einen Hauch weniger flach sind als die menschlichen, jedoch trotzdem durch ihre Fehler viel sympathischer und näher an einem selbst sind. Den Höhepunkt stellt tatsächlich John of Us dar, dem man den Sieg im Wahlkampf von Herzen wünscht, weil er mehr Engagement und Einfühlungsvermögen zeigt als jede menschliche Figur in seinem Umfeld, und würde ihn am liebsten in den Arm nehmen, wenn selbst die Wähler aufgrund seines ,,Blechbüchsendaseins'' nicht hinter ihm stehen. Denn ja, auch Diskriminierung und Rassismus vermischt mit rechter Hetze spielt eine große Rolle in dem Buch, abgerundet durch Präsidentenkandidaten Koch, der eine herrliche Parodie von Donald Trump ist. Wirklich, es gibt unzählige satirische Darstellungen von der größenwahnsinnigen Orange, aber keine ist so präzise und unterhaltsam wie diese!
Wie man merkt, investiert Kling also sehr viel Zeit in sein World-Building und den Ausbau seiner großartigen Ideen. Man wird vor allem in heutiger Zeit wohl selten einen Sci-Fi-Roman vorfinden, der so kreativ und zugleich so tagesaktuell ist. Vermischt mit grandiosem Humor, der für jeden Leser etwas bereithalten sollte, von Sarkasmus über bösen schwarzen Humor bis hin zu Slapstick, kann er diese Gesellschaftskritik wunderbar auf die Spitze treiben und den Leser unterhaltend zum Nachdenken anregen. Denn das Gruselige ist, dass, so übertrieben das alles ist, wahnsinnig viel davon gar nicht so unrealistisch erscheint. Dazu tragen auch die Zeitungsartikel bei, die neue (Werbe-)Ideen oder Gegebenheiten gekoppelt präsentieren und sich je nach Ausgabe der Lektüre unterscheiden. Vieles davon könnte mehr oder weniger in ein paar Jahren so umgesetzt werden, und genau das verleiht dem Buch neben seiner Satire einen ernsten Unterton. Vor allem das Ende lässt einen fast schon pessimistisch zurück, da Peter es nur für kurze Zeit schafft, sich wieder seines Lebens zu bemächtigen, und auch die Kandidatur um die Präsidentschaft kein gutes, aber frei interpretierbares Ende besitzt.
Doch so grandios Marc-Uwe-Klings Ideenreichtum ist, dadurch, dass er sie so ausführlich gestaltet, setzt eine eigentliche Handlung in dem Roman erst nach der Hälfte ein. Das ist zwar verständlich, jedoch beginnt man sich nach einer Weile zu fragen, auf welchen Punkt die Story zulaufen soll. Die Kapitel wirken wie einzelne Kurzgeschichten mit denselben Figuren statt wie ein einheitliches Buch. Deswegen sind einige Schlenker in der Gesellschaftskritik zwar gut beobachtet, allerdings zu ausführlich und für die Handlung nicht sonderlich förderlich. Denn genau aus den Szenen, aus denen Kling hätte eine Menge herausholen können, macht er meistens weniger als aus den Dialogen der Figuren, bevor der Plot ins Rollen kommt. Allgemein ist es so, dass so intelligent Klings Humor und Seitenhiebe auf das heutige Leben sind, seine Art zu erzählen nicht sonderlich mitreißt. Er benutzt sehr simple Worte und meistens kurze Sätze, die zwar manchmal die Pointe einer Situation so noch besser zur Geltung bringen und einen schnell durch die Geschichte leiten, aber literarisch ist nunmal was Anderes. Hätte er darin ein wenig mehr Kreativität gesteckt, so wäre das das Sahnehäubchen auf dieser Story geworden.



Alles in allem seit längerer Zeit ein Bestseller, der es wert ist, als solcher bezeichnet zu werden. In seiner Kritik und Parodie des digitalen Deutschlands des 21. Jahrhunderts mit rassistischen und politisch inaktiven Einschlägen sticht es unglaublich hervor aus dem momentanen Mainstream und schafft es, Probleme anzuprangern und gleichzeitig wahnsinnig gut zu unterhalten. Es lässt sich für jeden erdenklichen Humorgeschmack etwas finden und fühlt sich wegen seiner zahllosen Ideen wahnsinnig realistisch und überspitzt zugleich an. Man könnte quasi eine wissenschaftliche Ausarbeitung darüber schreiben, so viel Gedanken und Witz hat der Autor in diese Geschichte gelegt. Allerdings lesen sich diese Visionen manchmal eher wie einzelne Essays, die kapitelartig voneinander abgetrennt sind, denn während man vielen ausschweifenden Dialogen über diese Gesellschaft folgt, setzt eine wirkliche Handlung sehr spät ein und ist auch nicht so ausgearbeitet, wie sie hätte sein können. Dennoch ein wirklich tolles Buch, das dem ein oder anderen Leser hoffentlich die Augen öffnet.





Ich gebe dem Buch:


♥ Herzchen


Extra:


Diese Leseprobe vom Autoren höchstpersönlich hat mich davon überzeugt, dass dieses Werk etwas Besonderes ist. Schaut ruhig mal rein, ein sehr sympathischer Bursche! :)

CU
Sana

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