Sonntag, 5. August 2018

:)Rezension:): Roter Drache

Grundwissen:



Titel♥: Roter Drache (original: Red Dragon)
Autor/-in♥: Thomas Harris
Erschienen♥: Juli 2013 im Heyne-Verlag (Neuauflage Taschenbuch); 1988 im Heyne-Verlag (Erstveröffentlichung); original 1981
Seitenanzahl♥: 455 Seiten
Preis♥: 9, 99 € (Taschenbuch); 9, 99 € (Kindle Edition); ab 6,30 € (Hardcover)
Genre♥: Psychothriller; Krimi


Quelle: © Heyne Verlag
Quelle: © Dutton Verlag

















Inhalt:


,,Mit einer stark ausgeprägten Vorstellungskraft ist unweigerlich auch große Angst verbunden; das ist der Preis - oder sollte ich besser sagen: die Strafe - für diese Gabe.'' - Dr. Bloom (S. 212)




Eigentlich hat Will Graham dem FBI vor fünf Jahren den Rücken gekehrt. Doch sein ehemaliger Chef Jack Crawford sieht sich mit einem zweimaligen Blutbad konfrontiert, das keine Rückschlüsse auf den Täter zulässt. Auch wenn er weiß, dass Will noch immer psychisch angeschlagen ist von Hannibal Lecter, dem letzten von ihm gefassten Serienmörder, er glaubt fest daran, dass sein Instinkt ihm helfen kann, den Fall um die sogenannte ,,Zahnfee'' aufzuklären. Und so verfolgen sie die Spuren eines psychisch kranken Mannes, der der festen Überzeugung ist, mit seinen Taten eine lebenswichtige Veränderung herbeizuführen ...




Meine Meinung ...




zum Buch:




Über wohl kaum einen anderen Autor kann man sagen, dass er das Genre des (Psycho)Thrillers so sehr geprägt hat wie Thomas Harris, egal ob es sich um bestimmte Figurenentwürfe handelt (wie den labilen Ermittler oder rücksichtslosen Journalisten), um die Brutalität der Morde oder um einfach nur ikonenhafte Charaktere wie Hannibal Lecter. Und auch wenn man insbesondere diese Schablonen schon aus anderen jüngeren Werken kennt, Harris schafft es trotzdem, sie so zu schreiben, dass sie einem erscheinen wie etwas vollkommen Neues.
Allgemein sind die Figuren das Herzstück des Romans. Deswegen sollte man an Roter Drache eher wie an einen Psychothriller mit Krimi-Elementen herangehen und die Charaktere außerhalb ihrer zugeschriebenen Rollen - Ermittler und Täter - wahrnehmen. Es geht viel mehr um ihre Empfindungen innerhalb des Falls, um alte Dämonen, die nicht schweigen wollen, und um ihre ganz persönliche Geschichte. Insbesondere die Parallelen zwischen Will Graham und dem Täter machen es so spannend, die Nachforschungen zu beobachten, da sie beide nicht sonderlich gefestigt sind und Will mit seiner außergewöhnlichen Fähigkeit, sich in Täter hineinzuversetzen, praktisch dazu gewzungen ist, in einen geistesgestörten Kopf hineinzukriechen. Auch die familiären Probleme, die er durch den Wiedereintritt ins FBI bekommt, sind realistisch und ohne viel unnötiges Drama dargestellt, was es umso schwerer zu lesen macht und einen mit Graham mitfühlen lässt, da er auch so große Schwierigkeiten mit sich selbst hat. Und das hängt nicht nur zusammen mit Jack Crawford, der sein rücksichtsloses Verhalten wirklich immer legitimieren kann, sondern auch mit dem berühmtem Hannibal The Cannibal, der Will eine große Hilfe bei der ,,Zahnfee'' sein könnte, allerdings mehr als nur begierig darauf ist, in seinem Kopf herumzustochern. Letztgenannter hat gar nicht mal eine so große Rolle, wie man es angesichts seines Bekanntheitsgrades annehmen könnte, strahlt allerdings dieselbe Faszination, eiskalte Intelligenz und Gefährlichkeit aus, die Will so verunsichert.
Der absolute Star dieses Buches ist jedoch der Täter, Francis Dolarhyde. Dabei handelt es sich nicht um einen Spoiler, da man aus seiner Sicht liest und es wie bereits erwähnt nicht primär mit der Frage nach der Identität des Mörders beschäftigt, sondern mit seinen Beweggründen, dem großen Warum, das Menschen sich stellen, wann immer solche unmenschlichen Gräuel geschehen. Und obwohl Roter Drache Anfang der 80er Jahre erschien, fasst es ein unheimlich akkurates und glaubwürdiges Profil einer wirklich geistesgestörten Person zusammen. Harris schafft es, Francis trotz seiner Morde nicht wie ein beängstigendes Monster darzustellen, das Bild, das viele von einem Mörder haben, sondern als einen sehr gezeichneten armen Mann, der dermaßen viel erleben musste, dass seine Psyche vollkommen zusammengebrochen ist. Die wenigen Flashbacks, die die Ursachen seiner psychischen Erkrankungen beleuchten, setzen einem wahnsinnig zu und lassen einen mit offenem Mund ungläubig auf die Seiten vor sich starren. Kaum vorstellbar, welchen Skandal das vor über dreißig Jahren auslösen musste. Insofern ist Francis ein wirklich plastischer und außergewöhnlicher Charakter, der einen auch über das Lesen hinaus beschäftigt und einerseits den Wunsch in einem weckt, er möge gefasst werden, um auf der anderen Seite professionelle Hilfe zu bekommen, auch wenn jeder Therapeut zu Beginn erstmal überfordert wäre.
Somit macht die Dynamik der Figuren einen Großteil des sehr ruhigen Buches aus und verlieht ihm eine ungeheure Spannung. Nicht nur hat Harris recht intelligente Dialoge, deren Ton er ganz der Interpretation des Lesers überlässt, sondern auch ein ungewöhnliches Ensemble, das jedoch hervorragend funktioniert und teilweise aus wenig erforschten Ecken kommt. Im Zuge dessen merkt man, dass Thomas Harris viel Zeit auf die Recherche der Polizeiarbeit verwendet hat, sodass die Länge der Arbeitsprozesse und auch die ,,langweiligen'' Anteile solcher Ermittlungsarbeit wahnsinnig authentisch wirken. In Verbundenheit mit seinem sehr präzisen und kurz angebundenen Schreibstil, der ab und an einen sehr trockenen Humor aufweist, könnten viele Leser, die etwas Actionlastiges oder Blockbuster-Artiges mit viel Tempo erwartet, das Buch sehr langwierig finden. Lässt man sich jedoch auf den großen Fokus auf die Figuren und die realitätsnahe Darstellung vom FBI ein, dann fühlt man sich von der leicht düsteren Atmosphäre vollkommen ergriffen und kann gar nicht schnell genug lesen. Dabei spürt man auch keine Ungeduld als Leser, der bereits mehr weiß als Graham und Crawford, was bei Büchern, in denen die Perspektive des Antagonisten mit einbezogen wurde, nicht oft der Fall ist. Hier jedoch hat der Autor das langsame Sammeln von Hinweisen mit Francis' Erleben und gleichzeitig der davonrinnenden Zeit bis zum nächsten Mord so meisterhaft verflochten, dass man nicht mal auf die Idee kommt, die Ermittler als dumm abzutun. Denn sehr lange laufen ihre Vermutungen eben ins Leere und bringen sie dazu, erneute Theorien zu spinnen, und das teilweise unter enormen Zeitdruck, den vor allem die Presse ihnen aufdrückt. 
Dennoch besteht die Handlung nicht nur aus reinem Versteckspielen. Es gibt so einige Situationen, die wirklich brutal sind und den Plot immer wieder zuspitzen, vor allem da die Versuche, den Täter zu finden, Francis sehr provozieren und folglich die Spannung sehr zuspitzen. Das letztliche Ende fällt aus diesem Grund nur minimal heraus, da Harris einen auf den ersten Blick sehr abstrusen Twist einführt, was jedoch durch die Erklärung im Schlussteil des Buches fast aufgehoben wird. Denn das Ende ist, obwohl es eigentlich - wie so viele Werke - gut ausgeht, mit so einer bitteren und traurigen Note versehen, dass man mit zuschlagenem Buch und gebrochenem Herzen dasitzt, traurig darüber, dass Harris in Das Schweigen der Lämmer eine neue Hauptfigur hat.




Alles in allem ein Psychothriller, der zurecht zwei Verfilmungen und eine Serie nach sich gezogen und das Genre nachhaltig geprägt hat. Kurz und knapp, aber dennoch an den notwendigen Stellen einfühlsam und bildlich, geleitet Harris einen durch diese sehr realitätsnahe Darstellung der Polizei- und FBI-Arbeit, die von sehr gut gezeichneten Persönlichkeiten geleitet wird und einen auch außerhalb des Buches beschäftigen. Keiner von ihnen ist ein Klischee oder das pure Gute und Böse, sondern allesamt Menschen mit Ecken, Kanten und mindestens interessanten und höchstens tragischen Schicksalen. Verbunden mit der sehr intelligenten Handlung und einem so detaillierten Bild des Täters, das man meinen könnte, Harris hätte live der Entstehung des Profilings beigewohnt, ein wahnsinnig gutes Buch, das zu den brutalsten und ehrlichsten in dem Bereich gehört.




Ich gebe dem Buch:


♥.♥ Herzchen


Extra:


Ihr guckt gerne Buchverfilmungen? Dann kann ich euch von Herzen die Adaption dieses Romans von 2002 empfehlen. Sehr gelungen und mit dem Darsteller von Voldemort aus Harry Potter aus Francis :3 Hier könnt ihr euch den Trailer ansehen :)

CU
Sana

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