Donnerstag, 21. März 2019

:)Reihen-Rezension:): Alice Chronicles - Alice im Horrorland?

Grundwissen:



Titel♥: Alice & Red Queen
Autor/-in♥: Christina Henry
Erschienen♥: original August 2015 im Ace-Verlag
Seitenanzahl♥: 325 Seiten/ 313 Seiten
Preis♥: 8, 59 € (Taschenbuch)
Genre♥: Horror; Dark Fantasy; Märchenadaption; Adventure




Quelle: © Titan Books Ltd
Quelle: © Titan Books Ltd














Inhalt:


She wanted to weep, but the time for weeping had passed. Something inside Alice hardened then, a piece of her heart that would forver be cold and untouchable. One day, long ago, she'd gone seeking an adventure and found terror instead. That day had changed the course of her life, and left her hands awash in blood. It was not her fault, but this was how it must be. She understood that now. - p. 239



Seit zehn Jahren ist Alice nun im Irrenhaus, und wird wahrscheinlich nie wieder herauskommen. Seit ihrer Begegnung mit einem Mann namens Rabitt, der sie bei einer Teeparty vergewaltigte und geistig verwirrt zurückließ, ist sie gebrochen und verbringt viele Jahre ihres Lebens in ihrer Zelle. Ihr einziger Freund ist Hatcher, ein Massenmörder, der in der Zelle neben ihr wohnt und von Visionen des Jabberwockys heimgesucht wird. Doch eines Tages brennt das Irrenhaus nieder und die beiden können entkommen. Doch auch der Jabberwocky entrinnt und will die Welt zu Schutt und Asche verarbeiten - und nur Alice und Hatcher können ihn aufhalten.
Und auch abseits der Gefahren in der Old City lauern viele mysteriöse Gestalten auf Alice, unter anderem auch eine mysteriöse Weiße Königin.





Meine Meinung ...


zur Dilogie:




Moderne Adaptionen sind in den letzten Jahren immer beliebter geworden, aber neben den Lunar Chronicles, der beliebtesten Reihe in diesem Genre, ist die Alice-Dilogie mit einem gewissen Horrortouch ziemlich untergegangen. Und das obwohl Adaptionen rund um das Mädchen im Wunderland durchaus Aufmerksamkeit auf sich ziehen, z.B. mit Gena Showalters Alice-im-Zombieland-Reihe oder A.J. Howards Splintered-Trilogie, die, versetzt in die moderne Zeit und im ersten Fall sogar an die Highschool, kaum mehr etwas mit seinen Wurzeln zu tun haben.


Wie gut reiht sich also Christina Henrys Version vom Alice-Märchen ein?


Düstere Gegner und einfache Welt

Alice und sein Nachfolger Red Queen spielen in einer sehr unspezifischen Fantasy-Welt, die auf der einen Seite Magie beherbergt, auf der anderen Seite allerdings viele Anleihen des viktorianischen Englands zeigt. Besonders der dreckige Slum im ersten Band, der zwischen mehreren Gangstern aufgeteilt ist und von Prostitution und Gewalt bestimmt wird, ist da sehr bezeichnend. Neben dem Slum - der Old City - gibt es noch die New City, die die moderne und obere Gesellschaft beherbergt, und im zweiten Teil wird das World-Building auch nur geringfügig erweitert. Anfangs stört dieser simple Aufbau einen sogar, aber je mehr man sich vor Augen führt, dass es sich um ein Retelling handelt, desto mehr kann man sich damit anfreunden. Immerhin gibt es bei Alice im Wunderland nicht mal ansatzweise ein World-Building.

Die Idee, verschiedene Figuren wie die Grinsekatze oder das Walross als Anführer von Gangs (und als Menschen) zu inszenieren, funktioniert wirklich gut und bildet einen lockeren Leitfaden, an dem sich Alice entlanghangelt. Ganz besonders gut gefällt einem Henrys Version der Grinsekatze - Cheshire -, die sowohl deren Wahnsinn beherbergt wie auch durch seine manipulative Ader mysterös und einschüchtern erscheint. Außerdem ist er der einzige der hohen Tiere der Gangs, der durch das Sammeln von Geheimnissen und Informationen an die Spitze der Nahrungskette gelangt und nicht durch blutige Straßenschlachten oder das Entreißen junger Frauen aus ihren Familien. Dadurch erscheinen die anderen Antagonisten etwas billig, funktionieren aber sehr gut in dieser grausamen und von Armut geprägten Welt. Besonders das Walross kann einem gehörige Angst einjagen, ebenso wie viele andere Situationen, die sehr gruselig sind.

Allgemein ist das die größte Stärke dieser Buchreihe: Die herrlich dunkle und leicht surreale Atmosphäre, die zwar auch ein paar Gore-Elemente aufweist, hauptsächlich aber ein Gefühl des alten, stilvollen Grusels hervorruft. Unbehagen kriecht den Rücken des Lesers hinauf, lässt ihn in Aufregung auf die Seiten starren und mit Alice und ihrem Begleiter Hatcher bangen. Dabei befolgt die Autorin eine sehr einfache Regel des Horror-Genres: Je länger man das Monster nicht sieht, desto größer wächst die Spannung bei der finalen Konfrontation. Deswegen hat man zunehmend Angst vor dem ausgebrochenen Jabberwocky und den riesigen Blutlachen, die er hinterlässt. Fortwährend wird man von der Frage begleitet: Kann jemand so jemand wie Alice ein solches Monster besiegen, wenn sie schon vorher von den menschlichen Monstern der Old City zerstört wurde?



Die machtlose Macht der Magie


Die Antwort darauf ist ziemlich simpel - sogar zu simpel, wenn man bedenkt, dass ihre vorherigen Gegner zwar als weniger mächtig beschrieben werden, jedoch viel schwerer zu besiegen waren als das eigentliche Monster am Ende. Man erwartet sich einen actionreichen Kampf und dass Alice sich ihren dunklen Gelüsten nach Gewalt hingibt, jedoch wählt die Autorin einen sehr einfachen und unblutigen Weg, der so gar nicht zum Rest des Buches passen will. Ähnlich zwiegespalten steht man ihrer Begegnung mit Rabbit gegenüber, der das gesamte erste Buch über bedrohlich gezeichnet wird und überhaupt erst für Alice' verwirktes Leben in der menschenverachtenden Psychiatrie verantwortlich war. Deswegen ist der Showdown zwischen den beiden alles andere als befriedigend, ebenso wie der zwischen ihr und dem Jabberwocky.

Denselben Fehler wiederholt die Autorin in Red Queen, der die Weiße Königin, die über ein Dorf am Fuße ihres Palasts herrscht, sehr hochstilisiert, um sie dann als Antagonisten zu zeichnen, der mit einem Lufthauch umgestoßen werden kann. Und dies zieht sich wie ein roter Faden durch: Wer sich Magie aneignet und sie für ,,böse'' Zwecke verwendet, der vergeht irgendwann daran, während Alice' Magie ihr niemals schadet. Was die Autorin damit ausdrücken will, ist klar, allerdings steht diese fast schon kindliche Message im krassen Kontrast zu eher brutalen Inhalten, die im Sequel jedoch enorm abgeschwächt werden. Umso enttäuschender ist dieser komplette Bruch des Spannungsbogens in diesem zweiten Teil, denn während man im 1. Band noch viele spannende Auseinandersetzungen hat und um die Sicherheit der Charaktere vor den kreativen Fallen ihrer Gegner bangt, hat man in Red Queen nur einen langen Marsch zum besagten Dorf durch einen semi-creepy Wald. Die einzigen unheimlichen Szenen im Sequel finden im Palast der Königin statt, und das macht einen sehr geringen Teil des Buches aus.


Die Kraft der Weiblichkeit ... und der Liebe?


Mehr als das Körnchen Magie in ihr nutzt Alice jedoch ihre innere Stärke, um gegen ihre - maßgeblich männlichen - Gegner anzukommen. Zwar auch ein kitschiges Motiv, in einem Retelling jedoch kein Beinbruch. Es hat sogar einen gewissen Touch von Feminismus, wenn Alice, ein ehemaliges Opfer von Missbrauch, das Entkommen aus der Anstalt nutzt, um anderen Frauen in genau derselben Not zu helfen. Dadurch lernt sie nicht nur, über ihre eigenen Grenzen zu gehen, sondern auch das Trauma zu verarbeiten, das ihr widerfahren ist. Sie ist zwar keine vollkommen ausgebaute Persönlichkeit, am Ende jedoch trotz all ihrer Gebrochenheit stark und lernt, an sich selbst zu glauben, weswegen die Geschichte eines Opfers, das sich nicht mehr in diese Rolle stecken lassen will, auch etwas Inspirierendes hat.

Problematischer ist da die Beziehung zu ihrem Partner Hatcher, der eindeutig vom Verrückten Hutmacher inspiriert ist. Jedoch macht Hatcher keine Hüte, sondern findet großen Gefallen daran, mit seiner Axt Menschen zu ermorden. Die Gründe dazu werden zwar aufgedeckt, und auch er als Charakter ist kein bloßer ,,sexy Killer'', da man immer wieder einen Funken des früheren Hatchers aufflammen sieht. Man erkennt, das hinter einem Mörder kein Monster zu stecken braucht, sondern ein Mensch, der einfach abgedreht ist und bestimmten Gefühlen Ausdruck verleiht. Während er also in Alice noch vielversprechend ist, wird er in Red Queen nicht weiter ausgebaut und irgendwann nur noch auf seine Verrücktheit reduziert. Vielfach versteht er selbst nicht, warum er manche Dinge tut. Gut ist, dass die Autorin sich nicht entscheidet, die Liebe zwischen den beiden, auch wenn sie eine schöne Basis hat, als Allheilmittel ihrer Wunden darzustellen, sondern sie als Ergebnis ihres gegenseitigen Verständnisses darzustellen. Die beiden aber als Team zusammen gegen den Rest der Welt darzustellen und als wären sie in ihrer Kaputtheit das perfekte Pärchen - das ist angesichts von ihrer beidseitigen Mordlust etwas kritisch zu betrachten.


Alles in allem ist diese Dilogie definitiv einen Blick wert, besonders für Fans des Videospiels Alice: Madness Returns, das ein ähnliches Setting und einen ähnlichen Umgang mit den Figuren und ihrer verrückten Ader hat. Es ist gruselig, schaurig und etwas für alle Liebhaber dunkler Atmosphäre. Wer sich dadurch aber einen extravaganten Plot erwartet, der wird enttäuscht werden, denn ähnlich wie im Original ist dieser sehr einfach und in Red Queen sogar für lange Zeit kaum existent. Auch die Kämpfe und Spannung sind zwischendurch immer wieder klasse gemacht, doch durch die eher einfachen Lösungen sind die mit den Endgegnern eher anti-klimatisch. Insgesamt also empfehlenswert für einen kleinen Grusel und ein nettes Retelling, allerdings keines, das Potential dazu hätte, den Leser persönlich mitzunehmen und ihm eine neue Lieblingsreihe zu schenken.



Ich gebe den Büchern:


3,5/5 Punkten (Alice)

3/5 Punkten (Red Queen)

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